Nachruf auf Erich Beyer: "Meine berufliche Heimat war der KURIER"

Erich Beyer im Sommer 2019 in seinem Garten im Waldviertel: "Die Berufswahl Journalist habe ich nie bereut"
Erich Beyer war 1954 einer der Gründungsredakteure – und schrieb 64 Jahre für die Tageszeitung. Er starb am ersten Juli in Wien.

„Ich bin der einzige noch lebende Redakteur, der bei der ersten Ausgabe des Neuen KURIER am 18. 10. 1954 schon dabei war“, erzählte Erich Beyer nicht ohne Stolz, wenn man ihn in den vergangenen Jahren auf seine berufliche Laufbahn ansprach. Bis 2008 verfasste er (mit kurzen Unterbrechungen) Beiträge für den KURIER – unglaubliche 64 Berufsjahre lang. Er starb am 1. Juli im 96. Lebensjahr in Wien. Bis zu seinem Tod war er auch der älteste KURIER-Redakteur.

Der 1925 geborene Wiener Beyer hatte als „Geltungsjude“ (ein nationalsozialistischer Begriff) mit vielen Entbehrungen, Glück und der Hilfe nichtjüdischer Mitbürger die NS-Zeit in Wien überlebt. Nach dem Krieg arbeitete er u. a. für die Tageszeitung Neues Österreich.

Nachruf auf Erich Beyer: "Meine berufliche Heimat war der KURIER"

Beim KURIER-Tag 2014 mit seinem früheren KURIER-Chefredakteur Hugo Portisch.

„Er war ein hervorragender Kollege“, erinnert sich Oswald Finsterl, der ab 1958 mit ihm im KURIER zusammengearbeitet hatte. „Die oberste Maxime unseres Chefredakteurs Hugo Portisch – Check, Recheck, Doublecheck, also alles doppelt nachprüfen – war für uns die wichtigste Richtlinie. Und die hatte auch er verinnerlicht. Er war da sehr streng.“

Eine seiner ersten großen, namentlich gezeichneten Reportagen erschien noch vor der Unterzeichnung des Staatsvertrages am 9. 4. 1955 – über die „unerträgliche Spitalsmisere“ in Wien.

„Sofort ausgefahren“

Legendär war sein Reportereinsatz 1956 beim Volksaufstand gegen die sowjetische Besatzung in Ungarn – täglich war er mit einem Fotografen in Westungarn unterwegs.

Nachruf auf Erich Beyer: "Meine berufliche Heimat war der KURIER"

Gefährliche Recherche 1956 während des Volksaufstandes in Ungarn.

Beyer war Polizeireporter und Chefreporter (1956 vom ersten KURIER-Chefredakteur Hans Dichand ernannt): „Zur Gendarmerie hatte er so gute Kontakte, dass er auch in der Nacht angerufen wurde – dann ist er sofort ausgefahren“, sagt Finsterl. „Seine Informanten vertrauten ihm, weil sie wussten, dass er nur die Wahrheit schreibt.“ – „Wo immer man in späteren Jahren mit ihm in Niederösterreich unterwegs war, wusste er zu fast jedem Dorf eine Geschichte zu erzählen“, erzählt seine Familie.

Hugo Portisch war ab 1954 sein Kollege, ab 1958 sein zweiter KURIER-Chef: „Das war eine sehr schöne Zeit“, sagte Beyer über diese Jahre. Später war er Chronikchef und ab 1981 Leiter der Wiener „Bezirksbeilagen“. Im April 1977 hatte er die Idee zu einer wöchentlichen Seite für ältere Menschen, „Senior aktiv“, die er leitete und die bis 2008 erschienen ist. „Ich wollte Aktivitäten für die Leser über 60 setzen – und ihnen Informationen bieten.“

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Seniorenmesse 1994 mit der damaligen Wiener Vizebürgermeisterin Ingrid Smejkal und  dem damaligen Wiener Wirtschaftskammer-Präsidenten Walter Nettig.

Dies gelang ihm auch mit dem „KURIER-Seniorenausweis“. Mit diesem konnten Reise- oder Kulturangebote vergünstigt in Anspruch genommen werden. Unzählige Leserinnen und Leser haben ihn auf der jährlichen „Seniorenmesse“ in der Wiener Stadthalle sowie bei den Seniorenreisen kennengelernt, „Senior aktiv“ war auch sein Lebensmotto. Erst mit 83 Jahren beendete er endgültig seine Karriere.

Nachruf auf Erich Beyer: "Meine berufliche Heimat war der KURIER"

Im September 2014 war er ein Ehrengast beim großen KURIER-Tag.

Erich Beyer war Träger vieler Auszeichnungen. Kurzfristig arbeitete er auch als Pressesprecher für die damalige Handelskammer, schrieb für den Stern und war eine Zeitlang für die österreichische Redaktion von „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ tätig. „Meine berufliche Heimat war aber immer der KURIER“, betonte er: „Journalismus war der richtige Beruf für mich, diese Wahl habe ich nie bereut.“

Nachruf auf Erich Beyer: "Meine berufliche Heimat war der KURIER"

Vor fünf Jahren: Erich Beyer mit einer KURIER-Sonderseite zu seinem 90. Geburtstag am 14. April 2015.

Beyer war auch ein begeisterter Familienmensch: Er hatte drei erwachsene Kinder und war mehrfacher Großvater und Urgroßvater. „Trotz seines enormen Arbeitspensums nahm er sich immer Zeit für persönliche Anliegen von Kolleginnen und Kollegen“, sagt seine langjährige Sekretärin Hilde Chmela: „Es hätte keinen besseren Chef geben können.“

Und ein KURIER-Layouter würdigt Erich Beyer mit einem prägnanten Satz: „Er war ein feiner Kerl – und ein großartiger Journalist.“

 

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