Nach Machtverlust in Graz: Wie der neue ÖVP-Obmann die Partei aufstellt

Nach Machtverlust in Graz: Wie der neue ÖVP-Obmann die Partei aufstellt
2021 verlor die ÖVP das Bürgermeisteramt an die Kommunisten. Kurt Hohensinner über die Neuausrichtung der Stadtpartei

Kurt Hohensinner übernahm nach der Niederlage der ÖVP bei den Kommunalwahlen im Herbst 2021 die Grazer Stadtpartei. Er folgte Siegfried Nagl als Parteichef, der 18 Jahre lang Bürgermeister war.

KURIER: Ist der Verlust des Bürgermeisteramtes mittlerweile verdaut?

Hohensinner: Natürlich ist es eine Umstellung, wenn man 20 Jahre Bürgermeisterpartei war, da braucht es Aufarbeitung und Neuausrichtung. Diese Schritte haben wir in den vergangenen eineinhalb Jahren gut gemacht. Ich bin überzeugt davon, dass wir uns in unserer neuen Rolle gefunden haben. Für mich stellt sich aber die Frage insgesamt, was die politische Großwetterlage in Graz betrifft, wie geht’s den Menschen eineinhalb Jahre nach der Wahl?

Und wie geht es ihnen?

Ich habe schon immer gewusst, dass die Menschen in Graz nicht unter dem Kommunismus leiden werden, sondern unter der Perspektivenlosigkeit, die sich jetzt ganz klar abzeichnet. Ich bekomme die Rückmeldungen, dass die Unzufriedenheit stark steigt, die durch drei Themen hervorgerufen wird. Kinderbetreuung, Verbauung und das Verkehrsthema.

Zurück zur ÖVP. Was hat die Niederlage ausgemacht?

Es war nicht nur der eine Grund, dass wir nach vier gewonnenen Wahlen eine verloren haben, es waren viele Gründe. Das war die Covid-Zeit mit allen verbundenen Unsicherheiten. Das war die Verbauung. Wir haben im Wahlkampf große Zukunftsideen präsentiert, die wichtig waren, aber zu dem Zeitpunkt haben die Leute nicht viel damit anfangen können, weil sie mit Alltagsproblemen beschäftigt waren. Die KPÖ hat es verstanden, diese Unsicherheiten der Menschen für sich zu verbuchen.

Nach Machtverlust in Graz: Wie der neue ÖVP-Obmann die Partei aufstellt

Siegfried Nagl (li.) zog sich noch am Wahlabend aus der Stadtpolitik zurück, Nachfolger wurde Kurt Hohensinner

Wie sieht dann Ihre Strategie aus?

Es braucht beides, um aus ÖVP-Sicht zu gewinnen: Das große Konzept für die Stadt, das gibt es derzeit nicht. Die jetzige Regierung ist mit sich selbst beschäftigt und im Alltagsbewältigungsmodus. Es fehlen Perspektiven und Visionen. Aber es braucht aber auch – und das nehme ich aus der Wahlniederlage mit – Bürgernähe, das Abholen der kleinen und großen Probleme. Beim Bauthema muss man auch selbstkritisch sein, es wurde in den vergangenen zehn Jahren zu viel, zu schnell und zu dicht verbaut. Man muss dann auch einmal die Frage stellen, wie viel Zuzug verträgt die Lebensqualität in Graz?

Die KPÖ sagt, der Schuldenberg der Stadt sei ein Erbe und massiv bis 2021 angewachsen.

Ja, die Verantwortung für den Schuldenstand muss die ÖVP auf sich nehmen, aber auch alle anderen Parteien. Das sind Investitionen der vergangenen zehn, 15 Jahre, die auch Schulden verursacht haben. 90 Prozent der Beschlüsse sind aber einstimmig gefallen, alle Parteien bis auf die Neos waren mit in der Gesamtverantwortung. Diese Investitionen in den Straßenausbau, in öffentlichen Verkehr, in Schulen, in Sportstätten waren notwendig. Und wir haben auch sehr viele Aufgaben vom Bund aufgehalst bekommen, aber nicht das nötige Geld über den Bundesfinanzausgleich.

Ein wichtiges Thema ist immer der Klimaschutz. Wie stehen Sie zur Letzten Generation?

Ich bin ein Fan von Fridays for Future. Ich war auch immer einer von denen, der die Jugend im Rathaus empfangen und ihre Ideen abgeholt hat. Für die Aktionen der Letzten Generation fehlt mir aber jegliches Verständnis. Gerade, was da in den vergangenen Wochen passiert ist, ist wirklich ein Erpressungsversuch, auch der Stadtregierung. Das Ziel der Klimakleber kann ich nachvollziehen, die Art und Weise nicht.

Vor Jahren gab es für Graz Pläne einer Umweltzone oder Citymaut. Welche Ideen haben Sie, um Individualverkehr einzubremsen?

Wir brauchen ein Gesamtkonzept. Wir brauchen ein schlüssiges Konzept für Park & Ride. Es ist nicht zu verstehen, warum Judith Schwentner (Vizebürgermeisterin, Grüne, Anm.) ein funktionierendes Modell beim Einkaufszentrum Murpark nicht ausbaut. Sie hat das ad acta gelegt, weil für sie das noch immer zu stadtnahe ist. Wir brauchen Tiefgaragen. Was nämlich jetzt in Graz passiert, führt zu Unzufriedenheit: Schwentner nimmt willkürlich Parkplätze weg, aber sie gibt nicht die Möglichkeit, dass die Leute mit ihren Autos unter die Erde eintauchen können.

Das heißt, Graz muss Garagen bauen.

Ja. Wenn das Argument kommt, das ist zu teuer: Tiefgaragen sind ja kein totes Kapital, die kann man relativ gut refinanzieren. Ich fordere ein Konzept, wo wir keinen Verkehrsteilnehmer ausnehmen, wo wir auf Öffi-Verkehr setzen, den Radverkehr, aber man kann auch die Autos nicht wegzaubern. Auch die Öffis gehören ausgebaut. Man kann aber nicht ein einseitiges Verkehrskonzept haben, dass man Parkplätze streicht und keine Alternativen bereitstellt. Man darf die Innenstadt nicht zu Tode beruhigen, und dem Irrglauben aufsitzen, die Innenstadtwirtschaft überlebt eh alles.

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