Nach Lawinenabgang mit zwei Toten: Bergführer vor Gericht

Wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen hat sich am Freitag ein 33-jähriger Bergführer am Landesgericht Innsbruck verantworten müssen. Bei einem Lawinenunglück am 19. Jänner 2015 waren zwei Mitglieder einer siebenköpfigen Gruppe aus Deutschland ums Leben gekommen. Die Gruppe wurde von dem ebenfalls aus Deutschland stammenden Bergführer geleitet.
Rechtsanwalt Andreas Ermacora, Präsident des österreichischen Alpenvereins, übernahm die Verteidigung des 33-Jährigen. "Mein Mandant konnte davon ausgehen, dass die Schneedecke am Unfalltag halten wird, weil er erst drei Tage zuvor die Abfahrt gefahren war und die Hauptgefahr von einem Altschneeproblem ausging", meinte Ermacora in seinem Eröffnungsplädoyer.
"Das was Usus ist, ist aber nicht immer das, was auch richtig ist"
Außerdem habe der deutsche Bergführer, der seit einigen Jahren in Tirol lebt, die Standardlinienabfahrt gewählt, so der Rechtsanwalt. Auch, dass die Gruppe zusammen abgefahren war, sei sinnvoll gewesen, weil auf diese Weise die Spur besser gehalten werden könne. "Das was Usus ist, ist aber möglicherweise nicht immer das, was auch richtig ist", meinte daraufhin Richter Norbert Hofer in Richtung des Verteidigers. Dies müsse nun aber im Zuge des Beweisverfahrens geklärt werden, fügte der Richter hinzu.
Lawine riss vier Menschen in die Tiefe
Der 33-Jährige soll laut Staatsanwaltschaft unter Auslassung der Sorgfaltspflicht bei besonders gefährlichen Verhältnissen die Gruppe nur mit "Respektabständen" in einen 40 Grad steilen Hang einfahren haben lassen. Der Beschuldigte war eine Variante nördlich der Valluga (2.809 Meter, Anm.) in Richtung Zürs gefahren. Als einer der Skifahrer in den Hang einfuhr, löste sich plötzlich die Lawine und riss vier Gruppenmitglieder in die Tiefe. Drei von ihnen wurden von den Schneemassen rund 800 Meter mitgerissen.
Zusätzlich zu den beiden Toten waren außerdem ein Schwer- sowie ein Leichtverletzter zu beklagen. Ein Urteil wurde für den späten Nachmittag erwartet.

Einvernahme des Bergführers
Der angeklagte Bergführer bei seiner Einvernahme, dass er die Gruppe zusammen abfahren ließ, da beim "Einzelfahren" die Gefahr höher sei, dass jemand stürzt oder die Spur verlässt. Das "Einzelfahren" ist laut dem Richter aber "gängige Praxis", vor allem in einem Winter wie 2014/15 mit einem "denkbar schlechten Schneedeckenaufbau".
Zeuge: Anweisungen waren unkonkret
Ein als Zeuge geladenes Gruppenmitglied, das bei dem Lawinenabgang schwer verletzt worden war, sagte, dass der 33-Jährige nur wenige Anweisungen gegeben hatte. "Ich hatte bereits im Jahr zuvor an einer ähnlichen Tour am Arlberg teilgenommen und damals waren die Anweisung viel konkreter", so der Mann. Der Bergführer habe zwar "Respektabstände" angeordnet, aber keine genaue Meteranzahl genannt.
Über die Lawinengefahr wurde nicht gesprochen
Die Abstände zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern habe während der Abfahrt rund 20 bis 30 Meter betragen, und es seien jedenfalls mehrere Skifahrer gleichzeitig im Hang gewesen. Über die Lawinengefahr, die an diesem Tag auf der Valluga herrschte, ist laut mehreren Zeugen nicht gesprochen worden. "Wir als Skifahrer machen uns dann auch nicht so viele Gedanken, weil wir unserem Bergführer vertrauen", meinte einer der Wintersportler.
"Ich weiß nur noch, dass auf einmal der Boden unter meinen Füßen wegrutschte"
Wodurch die Lawine ausgelöst worden war, konnten auch die Gruppenmitglieder nicht mehr festmachen. "Ich weiß nur noch, dass auf einmal der Boden unter meinen Füßen wegrutschte", schilderte ein Zeuge. Dann habe er wohl irgendwie seinen Airbag ausgelöst und es sei immer schneller bergab gegangen. "Mir kam es vor als würde ich abheben und fliegen", berichtete der Mann. Daraufhin habe er für einige Sekunden das Bewusstsein verloren. Als er wieder aufwachte, sei er auf der Lawine gesessen und habe starke Schmerzen gehabt.
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