Maßnahmenvollzug: SPÖ warnt vor "tickender Zeitbombe"

Maßnahmenvollzug: SPÖ warnt vor "tickender Zeitbombe"
Die SPÖ, mit Jarolim und Duzdar, macht sich für einen Gesetzesentwurf von Ex-Justizminister Brandstetter stark.

Die SPÖ hat am Donnerstag mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen für die Justizwache sowie dringende Reformen im Maßnahmenvollzug verlangt. Dieser sei in seiner derzeitigen Form eine "tickende Zeitbombe", sagten Justizsprecher Hannes Jarolim und Muna Duzdar, die Sprecherin für die Volksanwaltschaft, auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.

Dabei machten sich die beiden für einen Gesetzesentwurf von Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) stark. Dieser hatte eine hochkarätig besetzte Expertengruppe zur Neuregelung der Unterbringung zurechnungsunfähiger bzw. geistig abnormer und als gefährlich eingestufter Straftäter eingesetzt. Im Juli 2017 wurden die Pläne öffentlich präsentiert, nach Brandstetters Abgang als Minister wurden sie offenbar schubladisiert. Dessen Gesetzesentwurf sei nie zur Begutachtung verschickt worden, bedauerte Duzdar.

Dass sich in Österreich genau so viele Personen im Maßnahmenvollzug befinden wie in Deutschland - nämlich rund 1.000 - bezeichnete Duzdar als untragbar. Sogar Jugendliche und junge Erwachsene können hierzulande als zurechnungsunfähig eingestufte Insassen zeitlich unbefristet angehalten werden - für Duzdar "ein No Go", wie sie betonte. Mit Nachdruck trat sie für ein eigenes Maßnahmenvollzugsgesetz ein, in dem ausgeschlossen wird, dass Personen unter 21 Jahren überhaupt in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen werden können.

"Total mangelhafte Qualität"

Grundsätzlich sollen nach den Vorstellungen der SPÖ die Einweisungskriterien angepasst werden. Bisher ist dafür die Begehung einer mit mehr als einem Jahr Haft bedrohten Straftat erforderlich. Das soll auf drei Jahre angehoben werden, was bedeuten würde, dass psychisch Kranke nicht mehr wegen einer gefährlichen Drohung (Paragraf 107 StGB) im Maßnahmenvollzug landen.

In diesem Zusammenhang kritisierte Duzdar die "total mangelhafte Qualität" mancher psychiatrischer Gutachten, auf deren Basis Betroffene zwangsweise angehalten werden. Es müsse dafür gesorgt werden, dass die Gutachter besser bezahlt werden und ihre Expertisen den wissenschaftlichen Qualitätsstandards entsprechen.

Die SPÖ bezweifelt, dass sich die zuletzt von Justizminister Josef Moser (ÖVP) versprochene Aufstockung des Forensischen Zentrums Asten - die Sonderstrafanstalt bei Linz ist auf die Unterbringung und Behandlung psychisch kranker Rechtsbrecher spezialisiert - finanzieren lässt. Aus der jüngsten Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage ergebe sich, dass Moser in den kommenden zwei Jahren keine budgetären Posten für ernsthafte Verbesserungen im Maßnahmenvollzug zur Verfügung hat, hieß es.

Justizsprecher Jarolim machte auf die "dramatisch überfüllten Justizanstalten" aufmerksam. Speziell in der Justizanstalt Wien-Josefstadt gebe es "seit Jahren Zustände, die verheerend sind". Insassen würden dort "nebeneinander kleben". Jarolim verlangte daher die umgehende Besetzung von 230 offenen Planstellen bundesweit und in Verbindung damit "eine Personalauswahl in vernünftiger Art". Dass an sich taugliche Bewerber nicht aufgenommen werden, weil sie Tattoos tragen oder keine Matura vorweisen können, sei nicht nachvollziehbar. Den Dienst versehenden Justizwachebeamten dürften wiederum keine Prügel vor die Füße geworfen werden. "Wenn ich höre, dass Handys nicht mehr mit in den Dienst mitgenommen werden dürfen oder die Bewaffnung der Beamten runtergefahren werden soll, ist das ein absoluter Wahnsinn", meinte Jarolim.

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