Lokalaugenschein: Wie Wählerinnen in Graz über "Ibizagate" denken

Klara P., 19.: "Ich denke, es werden jetzt mehr Leute zur Wahl gehen"
2014 wählte Graz mehrheitlich bei den EU-Wahlen grün. Der KURIER hörte sich am Wahltag 2019 in der Stadt um.

Klara wählt heute zum vierten Mal. „Gemeinderat, Nationalrat, Bundespräsident, jetzt Europa-Wahlen“, zählt sie auf. Klara P. ist 19 Jahre jung,  Schülerin und aus Graz: Jener Stadt, in der die Grünen 2014 die stimmenstärkste Partei bei den EU-Wahlen wurden und in der Spitzenkandidat und Parteiobmann Werner Kogler seine politische Heimat hat.

Graz also. Regiert von Schwarz-Blau, das aber im Gegensatz zur Bundespolitik trotz „Ibizagate“ weiter besteht. Ändert die turbulente Woche etwas in der politischen Ansicht der jungen Grazerin? „Heute ist für mich nach wie vor eine EU-Wahl. Aber ich hoffe, dass jetzt vielleicht mehr Jugendliche wählen gehen, wenn sie sehen, dass sie dadurch etwas verändern können“, überlegt Klara. „Ich denke, es werden heute mehr wählen gehen durch das Ibiza-Video. Vielleicht bekommt die FPÖ jetzt auch weniger Stimmen.“ 2014 betrug die Wahlbeteiligung in Graz 44,1 Prozent und war damit noch niedriger als die österreichweite Beteiligung von von 45,4 Prozent.

Peinlich und blöd

Das Video habe sie in ihrer politischen Meinung nicht beeinflusst, aber schockiert, sagt Klara. „Das Verhalten von Strache war ja nur peinlich. Ich glaube, das sehen die meisten Jugendlichen so. Man kann ja was Blödes sagen, wenn man betrunken ist. Aber so blöd? Und vor allem als Politiker.“

Karin H. dagegen sieht das Ibiza-Video gelassener. „Ohne jetzt sexistisch sein zu wollen -  aber ich denke, dass möglicherweise 99 Prozent aller Herren mittleren Alters, denen man eine blonde Russin vor die Nase setzt, genauso prahlerischen Schwachsinn von sich gegeben hätten.“ Die erste Konsequenz - der Rücktritt Heinz-Christian Straches und die Entlassung des Innenministers Herbert Kickl -  sieht die 51-Jährige als notwendig an. „Natürlich. Kurz hat da völlig richtig reagiert. Soll denn Kickl vielleicht gegen sich selbst ermitteln lassen?“

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Karin H., 51: "Erwarte mir von Parteien, dass sie dem Land dienen"

Das politische Nachbeben darüber hinaus kann die Germanistin dann schon nicht mehr nachvollziehen. „Wozu der Misstrauensantrag? Ich erwarte mir von Parteien, dass sie dem Wähler und dem Land dienen und nicht aus eigenem Kalkül agieren.“ Bei der EU-Wahl werde man die Auswirkungen vielleicht noch nicht so spüren, jedenfalls ändere das nicht ihr heutiges Wahlverhalten, betont Karin H. „Aber man wird es sich bis zu den Nationalratswahlen merken. Das Ganze bringt mich sicher nicht dazu, die Herrschaften zu wählen, die das angezettelt haben.“

Wähler werden mobilisiert

Maria-Theresia S. vermutet allerdings durchaus, dass „Ibizagate“ schon bei den EU-Wahlen Folgen hat. „Auch der Misstrauensantrag gegen Kurz wird bei der Mobilisierung der Wähler eine Rolle spielen.“ Das Benehmen Straches sei freilich unmöglich gewesen. „Aber endlich passiert einmal was, damit die Leute aufwachen“, überlegt die 73-Jährige. „Ich reg’ mich ja schon seit zwei Jahren wie eine Verrückte über diese Regierung auf.“ Und das obwohl sie stets deklarierte ÖVP-lerin gewesen sei.

 

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Maria-Theresia S., 73: "Der Misstrauensantrag wird mobilisieren"

Doch sie fürchte, dass durch die Turbulenzen „viele Rechte noch mehr rechts“ zu stehen kämen. „Viele Halbrechte werden zur ÖVP schwenken. Aber solche Menschen wie ich stehen nun heimatlos da.“ Wen also wählen? „Ich tue mir schwer“, gesteht Frau S.

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