Litschau im Waldviertel: Der geplante Campingplatz des Grauens
Franziskus Seilern-Aspang reizt das Maximum aus: Visualisierung mit 136 Stellplätzen für Wohnmobile nächst des Herrensee-Westufers.
Litschau im nördlichsten Zipfel des Waldviertels ist ein beschauliches Städtchen. Drei Türme – des Schlosses, der Kirche und des Lagerhauses – symbolisieren die Trias der Macht. Es gibt einen Fleischer (der seinen begehrten Leberkäse nach Wien liefert), einen Bäcker (der das Mangerl, ein Mohn-Salz-Weckerl, anbietet), das Wirtshaus Kaufmann (das hervorragende Rindsrouladen kredenzt) und ein Kaufhaus wie aus dem Freilichtmuseum. Hier, am Herrensee, der offiziell Herrenteich heißt (im 16. Jht. aufgestaut), kann man die Seele baumeln lassen.
Zumal Litschau als „Luftkurort“ gilt. Und die Gemeinde listet beschauliche Angebote auf: wandern, golfen, angeln, Tennis spielen, mit dem Elektroboot fahren, im Strandbad baden, in der Verweilzeit verweilen und so weiter. Sie weiß ganz genau: „Das Motiv von Touristinnen, nach Litschau zu kommen, ist Naturverbundenheit und der Wunsch nach Ruhe und Entschleunigung sowie ausbrechen aus dem Alltag.“
Idylle: der Herrensee, offiziell Herrenteich.
Dementsprechend achtet Zeno Stanek, die treibende Kraft in Sachen Tourismus, auch auf Nachhaltigkeit. Weil der Vater der Schrammel-Brüder hier zur Welt gekommen ist, gründete der Regisseur und Verleger vor zwei Jahrzehnten das „Schrammel.Klang.Festival“: Immer im Juli spielen Hunderte Wienerlied-Interpreten und Musikanten auf den aus Holz errichteten Bühnen rund um den See – im Wald, am Ufer, auf Lichtungen. Weil der Erfolg des „green Events“ derart groß war (und das Wetter nicht immer gut), brauchte es einen Konzertsaal. So entstand im Areal des Strandbades das Herrenseetheater – gebaut vornehmlich aus Holz.
Der sanfte Tourismus
Es fällt überhaupt nicht auf. Wie auch das Feriendorf Königsleitn, das Zeno Stanek seit einiger Zeit managt: Die Vierkanthöfe mit Appartements fügen sich erstaunlich gut ein. Und nun will Investor Günter Kerbler unweit davon ein feines Hotel errichten: ebenfalls dem Umweltschutz verpflichtet. Sanfter Tourismus ist das Ziel. Und die Bevölkerung macht enthusiastisch mit: Ohne die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen wären Staneks Ereignisse (2018 kam das turbulente Theaterfestival „Hin & weg“ dazu) gar nicht durchführbar.
Gründete unter anderem das erfolgreiche Festival Schrammel.Klang: der Verleger und Regisseur Zeno Stanek
Kürzlich aber stutzte so mancher – auch der Autor, ein Nebenwohnsitz-Litschauer – über die Kundmachung der Gemeinde, das Raumordnungsprogramm abändern zu wollen. Unter anderem für ein echt monströses Campingplatz-Projekt. An einem solchen führe definitiv kein Weg vorbei, die „Nullvariante“ (also Nichterrichtung) komme daher nicht infrage.
Drei Standorte seien analysiert worden, aber nur einer – just jenes Gelände, das Franziskus Seilern-Aspang gehört – hätte sich als tauglich erwiesen. Der Graf ist zwar kein Schwarzenberg, aber unumstrittener Grundherr von Litschau, ihm gehört auch der Herrensee: Die Gemeinde hat diesen nur gepachtet, die Laufzeit beträgt 15 Jahre. Da gibt es – zumindest theoretisch – von Zeit zu Zeit ein gewisses Druckmittel (die Gemeinde muss z. B. regelmäßig den See von Schlamm befreien, was beim Mörterteich jahrzehntelang unterblieb).
Erstaunlicherweise deckt sich die Zielsetzung der Gemeinde – sie sieht „die unbedingte Notwendigkeit in der Errichtung der Anlage an genau diesem Standort“ – zu 100 Prozent mit den Überlegungen des Grafen, der den abschüssigen Acker an der Westseite des Sees, drei Hektar groß, zum Campingplatz machen möchte. Aber weder soll man ein Zelt aufstellen, noch mit dem Wohnwagen anreisen dürfen: Gestattet sein sollen nur Wohnmobile. Die bringen ihre eigenen Sanitäreinrichtungen mit.
Die Brücke aus Plastik
Unter all den vom Raumplanungsunternehmen Kommunaldialog gesammelten Unterlagen findet sich auch eine Visualisierung des Unternehmens LUCAD: Die Wohnmobile stehen wie auf einem Schachbrett. Bei gefinkelter Anordnung gehen sich, so die Hochrechnung, 136 Stellplätze aus. Litschau hätte schlagartig den größten Campingplatz Niederösterreichs!
Mehrere eingeholte Stellungnahmen reden die Sache schön. Doch man würde den Schandfleck von vielen Punkten rund um den See sehen. Zudem gilt aufgrund der landwirtschaftlichen Nutzung ein generelles Badeverbot, eine Ausnahme gibt es nur für das Strandbad an der Ostseite. Damit die Camper nicht rund um den halben See gehen müssen, will man eine Pontonbrücke mit Schwimmkörpern aus Plastik errichten.
Litschau eng verbunden: Das Schauspielerpaar Nicholas Ofczarek und Tamara Metelka
fordert ein Überdenken.
Burgtheaterstar Nicholas Ofczarek und seine Frau Tamara Metelka, die Litschau seit der Kindheit eng verbunden ist, warfen sich als Galionsfiguren des Widerstands in die Schlacht. Denn viele wollen sich raushalten. Es gibt eben Abhängigkeiten. Und ein Campingplatz bedeutet Arbeit, Aufträge, Geld. Aber bis 27. Oktober kann man Stellung nehmen, im Rathaus ging bereits eine Flut an Schreiben ein. Ofczarek zum Beispiel forderte die Landesregierung auf, ein touristisches Gesamtkonzept fürs Waldviertel auf Basis objektiver Kriterien zu entwickeln.
Das Wort des Grafen
Der Graf ist im Gespräch mit dem KURIER ein wenig konsterniert. Einerseits, weil er nicht wusste, dass die Unterlagen für alle einsehbar sind. Er habe zwar die Maximalvariante angestrebt, was aber nicht bedeute, dass er 136 Stellplätze realisieren wolle. Denn derart gewaltig werde die Nachfrage nicht sein.
Und andererseits, weil er sich mit seiner Frau Amelie einen exzellenten Ruf aufgebaut hat: Schloss Litschau achtet bei den Produkten aus der eigenen Forst- und Teichwirtschaft auf hohe Qualität und Nachhaltigkeit. Das Renommee wolle man nicht aufs Spiel setzen: „Ich verspreche, dass wir das Projekt nur im Einklang mit unserer Marke umsetzen. Es wird keine Verschandelung geben!“ Amelie Seilern-Aspang ergänzt: „Ich würde mich in Grund und Boden schämen.“
Die beiden gestehen eine falsche Einschätzung ein. Sie wollten zunächst die Bewilligung – und erst dann die Bevölkerung über ein konkret ausgearbeitetes Projekt informieren. Nun denken sie über eine andere Vorgangsweise nach. Vielleicht gibt es auch eine bessere Lösung als eine Plastikbrücke? Beim Schrammel.Klang bringt ein Elektroboot die Besucher um einen Euro auf die andere Seite ...
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