Klimawandel - "Für Skigebiete unter 1.300 Meter ist Zug abgefahren"

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Geosphere-Expertin Riedl: In diesen Regionen ab 2050 kein Wintersport-Betrieb in bisheriger Form -Skirennläufer Schütter sieht mittelfristig Aus für Weltcup-Abfahrten in Garmisch

Der vergangene Winter ist ein Mal mehr im Jahresvergleich deutlich zu schneearm und zu warm ausgefallen. Aufgrund des Klimawandels ist zukünftig mit ähnlichen Wintern zu rechnen. Das hat Auswirkungen auf den Wintersport und den Tourismus, wie Claudia Riedl, Meteorologin bei Geosphere Austria, am Mittwoch deutlich machte: "Für Skigebiete unter 1.300 Meter ist der Zug abgefahren."

Selbst bei Einhaltung der Klima-Ziele und weiteren Klimaschutzmaßnahmen rechnet die Expertin damit, dass es in diesen Regionen ab 2050 einen touristischen Wintersport-Betrieb in der bisherigen Form nicht mehr geben wird, wie sie in einer Online- Pressekonferenz der Plattform für ein klimaneutrales Salzburg deutlich machte. "Die Maßnahmen bei der technischen Beschneiung werden dann einfach so herausfordernd sein, dass das wirtschaftlich nicht mehr tragbar ist", meinte Riedl. Aus ihrer Sicht sind in absehbarer Zeit durchgehende Wintersaisonen mit schneesicheren Monaten bzw. hinreichend tiefen Temperaturen passe, die für die Produktion und den Erhalt von Kunstschnee notwendig sind. "Das betrifft dann vor allem stadtnahe Skigebiete, die für die Bevölkerung schnell erreichbar sind", erläuterte die Meteorologin.

Schon jetzt ist zu beobachten, dass im Wintertourismus zwar die Nächtigungen zunehmen, aber verstärkt auf Kurzurlaube gesetzt wird, was in Summe die An- und Abreisen erhöht, wie Moritz Nachtschatt, Geschäftsführer von Protect Our Winters (POW), erklärte. Um so wichtiger wäre es daher, Skigebiete mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar zu machen und in diesem Bereich klimapolitische Maßnahmen zu setzen, meinte Nachtschatt: "Es braucht ein Klimaschutzgesetz auf Landes- und auf Bundesebene, weil es die Rahmenbedingungen vorgibt, für uns privat, aber auch für die Wirtschaft." Das sei für faire Wettbewerbsbedingungen und zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts unabdingbar. Einzelne Betriebe wie etwa Snow Space Salzburg - der Zusammenschluss der Skiorte Flachau, Wagrain und St. Johann - gingen bei der Reduktion des Energieverbrauchs bereits "mit gutem Beispiel" voran, konzedierte Nachtschatt: "Aber es ist ein Armutszeugnis, dass die Wirtschaft zum Teil weiter voraus ist und die Politik hinterherhinkt."

"Ein Drittel der Skigebiete wird in 20, 30 Jahren nicht überleben", zeigte sich der alpine Skirennläufer und Klimaaktivist Julian Schütter überzeugt. Was den Profisport betrifft, "sind wir an einem Punkt, wo die Gletscher in Europa so schlecht beisammen sind, dass es keine Trainingsmöglichkeiten im Sommer gibt." Die, die es sich leisten können, würden in die südliche Hemisphäre ausweichen, andere, vor allem der Nachwuchs, "müssen einfach ihre Trainings nach hinten verschieben und können sich nicht gut auf die Saison vorbereiten". Das senke die Konkurrenzfähigkeit und erhöhe die Verletzungsgefahr.

CO2-Fußabdruck von 12 Tonnen

"Die Klimakrise ist jetzt und schränkt jetzt schon ein, was meine Leidenschaft und meine Profession betrifft", betonte Schütter, der in der abgelaufenen Saison im Weltcup debütiert hatte und mehrfach in die Punkteränge fuhr. Die Anreisen zu den Trainings seien "zu weit", dass der Herren-Weltcup in der Saison 2022/23 zwei Mal Station in den USA machte, sei "komplett unnötig und kontraproduktiv". Er habe heuer zwölf Tonnen CO2-Äquivalent produziert, davon elf Tonnen für Flugreisen, führte der 25-Jährige aus.

Der Schladminger Speed-Spezialist sorgte zuletzt für Schlagzeilen, indem er während der alpinen Skiweltmeisterschaften in Courchevel dem Internationalen Skiverband (FIS) einen von 140 Athletinnen und Athleten unterzeichneten Offenen Brief überreichte. Darin wird unter anderem Klimaneutralität aller FIS-Veranstaltungen bis 2035 sowie eine Nachhaltigkeitsstrategie zur Emissionsreduktion um 50 Prozent bis 2030 gefordert. Er habe darauf bisher "eigentlich kein Feedback" erhalten, hielt Schütter fest: "Die FIS hat nicht wirklich Einsicht gezeigt." In eineinhalb Monaten finde aber der nächste FIS-Kongress statt: "Wir hoffen schon, dass der Offene Brief, das Engagement etwas bewirken wird."

"Kandahar-Abfahrt bald Geschichte"

Dass die Klimakrise und die damit einhergehenden milden Winter den Weltcup-Kalender in Zukunft verändern werden, ist für Schütter klar. Mittelfristig wird man etwa nach seinem Dafürhalten in Garmisch-Partenkirchen keine Abfahren mehr fahren können. Die Kandahar-Abfahrt - sie gilt als eine der anspruchsvollsten Strecken im Alpinen Skiweltcup, der Start liegt auf 1.690, das Ziel auf 720 Meter - wäre damit Geschichte. Dass der Skiweltcup bereits Ende Oktober beginnt, ist für Schütter "nicht vertretbar", wie er bekräftigte: "Man zeichnet damit ein falsches Bild von der Wintersaison." Insofern fänden auch die für Mitte November geplanten Speed-Rennen in Zermatt/Cervinia "zum falschen Zeitpunkt" statt: "Sie zwingen zu einem früheren Trainingsbeginn, was wiederum zu mehr Flügen führt."

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