Klagen gegen Zementwerk und Republik

Der wirtschaftliche Schaden des Hexachlorbenzol-Skandals im Kärntner Görtschitztal wird wohl nie konkret eingeschätzt werden können. Selbiges gilt für eventuelle gesundheitliche Folgen der betroffenen Bevölkerung. Aber die Chancen auf Entschädigung steigen mit der aktuell geleisteten Aufklärungsarbeit. "HCB-Anwalt" Michael Sommer wird nun rund 25 Zivilklagen gegen das Zementwerk sowie gegen die Republik Österreich als verantwortlichen Rechtsträger einreichen.
"Munition" hat er genug: Da wäre primär der Bericht der Kommission unter der Leitung von Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Die Experten zeigen grobe Mängel beim "w&p"-Zementwerk auf, das kontaminierten Blaukalk verbrannte. Außerdem kritisierten sie Mängel bei Genehmigungsverfahren der Behörden und bei der Blaukalk-Deponie der Donau-Chemie in Brückl. Dazu gesellen sich die Ergebnisse der Bluttests, die zwar eine akute Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung im Görtschitztal, nicht aber Langzeitfolgen, ausschließen.
"Es wird zwei Stoßrichtungen geben. Einerseits strafrechtliche Anzeigen: die Schuldfrage soll diesbezüglich die Staatsanwaltschaft klären. Aber auch Zivilklagen sind in Vorbereitung", sagt Sommer, der in dieser Causa rund 25 Bürger aus dem Görtschitztal vertritt.
Spezialgebiet HCB
Der 40-Jährige führt mit Huberta Gheneff und Michael Rami eine Rechtsanwaltskanzlei in Klagenfurt. Er hat rasch auf die Entwicklungen im Görtschitztal reagiert, auf der Firmenhomepage in der Kategorie "Spezialgebiete" unter anderem "HCB-Skandal" angeführt und im Zuge von "Beratungsgesprächen" in der Region zahlreiche Klienten an Land gezogen. Jetzt geht es um Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe. "Der Endbericht der Umweltmediziner zu den Blutuntersuchungen im Görtschitztal zeigt, dass hormonelle Auswirkungen der HCB-Belastung zu befürchten sind. Ich vertrete auch vier Kinder, bei denen möglicherweise Folgeschäden auftreten werden. Daher muss ich nun Feststellungsklagen einbringen, bevor Verjährungsfristen verstreichen", kündigt Sommer an. Summen will er nicht nennen.
Ins Visier geraten ist primär das "w&p"-Zementwerk in Klein St. Paul, das für die unsachgemäße Verbrennung des Blaukalks belangt werden soll, aber auch die Republik wird für die Pannen-Kette verantwortlich gemacht.
Haftungsfonds
"Der Funk-Bericht spricht von Fehlern bei Genehmigungsverfahren, Auflagen und Kontrollen. Das Abfallwirtschaftsgesetz und die Gewerbeordnung sind beispielsweise Bundeskompetenzen", betont der Jurist. Außerdem wäre der Haftungsfonds der Republik zu Auszahlungen in unbegrenzter Höhe verpflichtet.
Sommer schließt nicht aus, dass er für seine Mandanten weiters die Donau Chemie in Brückl unter die Lupe nimmt. Die Umweltorganisation Greenpeace forderte am Montag den Deponiebetreiber auf, Schadenersatzzahlungen an die Bevölkerung zu leisten. "Derzeit habe ich zu wenig Unterlagen, aber ich werde auch diesbezügliche Haftungsfragen ausloten."
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