Kinder-Wohnbetreuung: "Dieses Konzept gehört durchmischt"

Brauche ein Kind oder Jugendlicher einen Platz außerhalb der eigenen Familien, gäbe es nur drei Möglichkeiten, zählt Jugendanwältin Brigitte Pörsch auf: Heim, Pflegepersonen oder eine betreute Wohngemeinschaft. "Aber dieses Konzept gehört durchmischt. Es stellt sich die Frage, ob eine Jugend-WG in dieser Form zeitgemäß ist."
In Graz gerieten solche Wohngemeinschaften der Stadt zuletzt in negative Schlagzeilen. Im Vorjahr flog ein jahrelang nicht entdeckter Missbrauch von Burschen an Mädchen auf, vergangenen Woche gab die Behörde selbst einen weiteren Verdachtsfall bekannt. Als Konsequenz kündigte die Politik an, dass sich die Stadt generell aus diesem Betreuungsbereich zurückzieht.
Beziehungsbrüche
"Für mich stellt sich da aber die Frage, was private Anbieter mit den Ressourcen besser können?", überlegt Pörsch. "Dass diese Maßnahme reichen wird, bezweifle ich." Die Jugendanwältin fordert ein Umdenken im Umgang mit traumatisierten Jugendlichen. "Das sind alles Kinder, die schon Beziehungsabbrüche erlebt haben, egal, aus welchem Grund. Sie sind von ihrem Eltern weggekommen, haben ihr Zuhause verlassen müssen."
Da sei es wichtig, Bezugspersonen aufzubauen. Doch sie sollten nicht aus der Einrichtung kommen, in der die Betroffenen untergebracht sind. So viel habe man aus den aktuellen Fällen gelernt. "Es stellt sich die Frage, warum sich die Kinder in Not nicht ihren Betreuerinnen anvertraut haben?" Der Missbrauch des Vorjahres flog durch die Mutter von Opfern auf, beim jüngsten Fall soll eine Betreuerin Zeugin eines Übergriffs geworden sein.
Pörsch führt das auf die Angst der Opfer zurück, vielleicht schon wieder eine Einrichtung verlassen zu müssen. "Da geht es nicht um das Amt oder die Behörden, sondern um die Abhängigkeit, in der die Kinder sind." Es sei nötig, neue Wege der Wohnbetreuung zu finden. "Wir haben die Modelle aber noch nicht, um flexibel reagieren zu können."
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