Kein doppelter Pass: „Bin Beweis, dass Wählerliste Fehler hat“

Kein doppelter Pass: „Bin Beweis, dass Wählerliste Fehler hat“
Sechs Monate musste Salzburgerin mit türkischen Wurzeln um österreichischen Pass bangen. Tausende andere müssen weiter zittern.

Die Erleichterung ist Cigdem Schiller anzuhören. Aber auch der Ärger über das, was sie durchmachen musste. „Ich bin ein halbes Jahr lang schikaniert worden und kann froh sein, dass ich da raus bin“, sagt die Frau mit türkischen Wurzeln.

Ihr Name steht auf einer angeblichen Wählerevidenzliste mit in Österreich lebenden Türken. Diese 100.000 Datensätze umfassende Liste hat die FPÖ im Mai 2017 an das Innenministerium weitergeleitet, um mögliche illegale Doppelstaatsbürger zu enttarnen.

„Ich bin der Beweis, dass diese Liste Fehler hat“, sagt Schiller, deren Fall nach einem Bericht in den Salzburger Nachrichten österreichweit für Aufsehen gesorgt hat. Am Freitag bekam die Flachgauerin ein Schreiben von der Salzburger Landesregierung, dass das gegen sie laufende Verfahren zur Feststellung der Staatsbürgerschaft eingestellt wurde.

Mit einem Brief des türkischen Generalkonsuls konnte die 31-Jährige belegen, dass den türkischen Behörden ein Fehler unterlaufen ist. Die hätten seinerzeit zwar den von ihren Eltern erklärten Austritt aus der Türkei registriert. Das habe auch bei zwei ihrer zwei Geschwister geklappt. Sie selbst und ihr Bruder seien aber irrtümlich weitergeführt worden.

„Ich bin hier geboren und aufgewachsen und kann fast kein Türkisch“, erzählt Schiller. Im vergangenen halben Jahr sei sie einmal wöchentlich im Konsulat gewesen, das ihr letztlich geholfen habe.

Vom Umgang der heimischen Behörden mit ihr als Staatsbürgerin ist sie enttäuscht und macht klar, was für sie auf dem Spiel gestanden hat: „Meine Arbeitserlaubnis, mein Kredit, meine Wohnbauförderung. Das wäre alles nichtig gewesen. Da wird mittlerweile eine Hexenjagd betrieben“, sagt sie mit Verweis auf die Vielzahl von laufenden Prüfverfahren. Allein in Wien sind es 18.000.

In Tirol geht es um rund 1800 Fälle. Die Behörde macht hier ihre weitere Vorgangsweise von einem beim Landesverwaltungsgericht anhängigen Musterverfahren abhängig. Der Innsbrucker Rechtsanwalt Vedat Gökdemir vertritt die Betroffene und hat etwa 20 weitere Fälle in Westösterreich.

Beweislastumkehr

Er kritisiert, dass in Verdachtsfällen die vermeintlichen Doppelstaatsbürger Nachweise bringen müssen, dass sie keine sind. „Wenn die Behörde etwas behauptet, dann muss sie das auch unter Beweis stellen“, sagt Gökdemir, der die Aussagekraft der Wählerevidenzliste ebenfalls in Frage stellt: „Ich hatte einen Fall, da stand eine 2016 verstorbene Person auf der Liste.“

Gökdemir gibt auch zu bedenken, dass es problematisch sein kann, wenn von Betroffenen erwartet wird, Beweise für das Zurücklegen der türkischen Staatsbürgerschaft in der Türkei zu beschaffen. „Es stehen auch Regimekritiker auf dieser Liste.“

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