"Jährlich gehen an die 3000 Wohnungen verloren"

Mit Steuergeldern geförderte Wohnungen müssen für die Mieter leistbar bleiben, meinen die Grünen. Auf Initiative der Abgeordneten Gabriela Moser bringen sie deshalb einen Antrag im Parlament ein.
Der Hintergrund: Im Schnitt werden 10.000 Wohnungen pro Jahr größtenteils mithilfe öffentlicher Fördergelder als Mietkaufobjekte errichtet. Der Bestand an Wohnungen mit Kaufoption umfasst zirka 111.000.
"Jährlich gehen an die 3000 Wohnungen dem Bestand an preisgeregelten – langfristig günstigen – Mietwohnungen verloren und wandeln sich von Niedrig-Mietobjekten zu Hochpreis-Immobilien, die nicht durch Neubauleistung ersetzt werden können", kritisiert Moser.
Sie verweist darauf, dass "der Wohnungseigner derzeit Mieten nach Marktwert verlangen kann, obwohl das Objekt mit Steuergeld-Förderung errichtet wurde". So seien Immobilienspekulationen Tür und Tor geöffnet.
Zwar solle es Mietern weiterhin möglich sein, Wohnungen zu kaufen oder verkaufen. Um bei weiterer Vermietung die Mieten erschwinglich zu halten, müsse aber eine Obergrenze nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) gelten. Die Grünen plädieren für "Kauf für die Eigennutzung und/oder die Bindung an das Kostendeckungsprinzip bei Vermietung".
Die Warteliste für geförderte Wohnungen wird immer länger. Vergangenes Jahr waren bei der Sozialbau rund 45.000 Wohnungssuchende registriert. Mittlerweile sind 71.000 Interessenten bei dem gemeinnützigen Bauträger registriert. Das ergibt rund 40 Anmeldungen für eine neue Wohnung.
Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die Zahl der Vormerkungen bei den gemeinnützigen Bauträgern sinken wird. Im Gegenteil: Es fehlen immer mehr günstige Wohnungen. Das Problem betrifft vor allem die Ballungszentren und insbesondere Wien.
Die Sozialbau hat die Zahl der fertiggestellten Wohnungen auf rund 1900 verdoppelt. Die freifinanzierten Wohnungen im neuen Wiener Stadtteil Aspern sind bereits zu 50 Prozent vergeben. Der Generaldirektor der Sozialbau, Herbert Ludl, rechnet damit, dass bis Jahresende alle Wohnungen vergeben sind.
Die hohe Nachfrage ist kein Wunder. Allein in der Bundeshauptstadt müssten jährlich statt derzeit 4000 etwa 8000 geförderte Wohnungen gebaut werden, um den Bedarf zu decken. Insgesamt wird der Bedarf auf jährlich etwa 10.000 neue Wohnungen geschätzt. Doch diese Neubauleistung ist nicht realistisch. Die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage wird daher durch frei finanzierte Wohnungen aufgefüllt.
Allerdings zu bisweilen sehr hohen Preisen. Bei Mieten von 14 bis 15 Euro pro „wird die Luft sehr dünn“, weiß Herbert Ludl, Generaldirektor der Sozialbau. Die Zahl der Wohnungssuchenden, die sich das leisten können, hält sich in engen Grenzen. Ludl erläutert die Lage am Wohnungsmarkt mit einem Vergleich aus der Gastronomie: Während die Freunde der teuren Gourmetküche sehr wohl ein ausreichendes Angebot vorfinden fehle die gute und leistbare Hausmannskost. Die Durchschnittsmiete für Wohnungen der Sozialbau beträgt ohne Betriebskosten 3,81 Euro pro m2.
Ein großes Problem beim Neubau sind die hohen Grundstückskosten. Wegen der derzeit niedrigen Zinsen sind Investoren auch bereit 1000 Euro pro auszugeben. So viel wurde für Kasernengründe in der Montleartstraße (Wien-Penzing) bezahlt. Derartige Preise sind laut Ludl „knapp vor der Blasenbildung“. Es sei nur schwer möglich bei derartig hohen Grundstückskosten Gewinne zu erzielen.
Im gemeinnützigen
Wohnbau sollen die Preise nicht über 250 Euro pro liegen. Ludl rechnet allerdings damit, das auch die Gemeinnützigen künftig bis zu 400 Euro pro werden ausgeben müssen. Schlechte Nachrichten für alle, die in den kommenden Jahren einen Wohnung suchen. Es wird sicher nicht billiger, sondern deutlich teurer.
Immerhin hat die Gemeinde Wien beschlossen, dass es künftig in der Bundeshauptstadt auch eine eigene Widmungen für den sozialen
Wohnbau geben kann. Bislang wurde dieses neue Instrumentarium noch nicht eingesetzt.
Die gemeinnützigen Bauträger kaufen für den sozialen Wohnbau in den Ballungszentren ohnehin nur Grundstücke , die noch nicht für den Wohnbau gewidmet wurden. Nach der Umwidmung sind die Grundstückspreise zu hoch. Vor allem in Wien gibt es einen Nachholbedarf an Widmungen für den sozialen Wohnbau.
Immerhin ermögliche die neue Wiener Bauordnungen „beträchtliche Einsparungen“, freut sich Ludl. Früher war vorgeschrieben, dass für jede Wohnung ein Stellplatz gebaut wird. Das war in vielen Wohnungsanlagen zu viel des automobilen Guten. Zumal die Errichtung von Garagen im städtischen Gebiet ziemlich ins Geld geht. Nun müssen nur mehr für 75 Prozent der Wohnungen Stellplätze gebaut werden.
Allerdings gilt diese Bestimmung nur für Wohnbauten, die in Zukunft gebaut werden. Bestehende Garagenplätze müssen erhalten bleiben. Auch wenn die Garage nicht ausgelastet ist.
Der Mietpreis ist heiß. Der Obmann der Wiener Immobilientreuhänder, Michael Pisecky, verlangt frei vereinbarte Mieten für den privaten Immobilienmarkt. "Preisregelungen sind in Kriegs- und Nachkriegszeiten entstanden und daher nicht mehr zeitgemäß." Damit liegt Pisecky auf Kollisionskurs mit der Arbeiterkammer und der Mietervereinigung, die für eine generelle Deckelung der Mieten eintreten.
Ein fixe Mietzinsobergrenze würde dazu führen, dass niemand mehr in den Wohnungsmarkt investiert und keine neuen Wohnungen mehr gebaut werden, argumentiert Pisecky. Durch eine Liberalisierung würden hingegen zusätzliche Investitionen erfolgen. "Das Geld dafür ist da." Die Immobilientreuhänder und die Arbeiterkammer sind sich nur in einem Punkt einig: Es muss mehr gebaut werden.
Marktmiete
Auch im Modell der Immobilientreuhänder ist eine Mietzinsobergrenze eingebaut. Wenn eine Wohnung um 25 oder mehr Prozent teuerer ist als die Marktmiete, soll der Mieter eine Senkung auf den marktüblichen Preis durchsetzen können.
Nur in einem Spezialfall kann sich Pisecky mit einer Mietzinsobergrenze anfreunden. In Wien wird darüber nachgedacht, bei der Umwidmung in Bauland Flächen für den sozialen Wohnbau zu reservieren. In solchen Wohnungen könne es eine Mietzinsobergrenze geben, wenn die Auftragsvergabe "für alle Bauträger offen ist". Pisecky ist überzeugt, dass private Bauträger beim Wettbewerb mit gemeinnützigen Bauträgern nicht nur mithalten können, sondern billiger sind.
Ein weiterer Vorschlag ist die Einkommens-Kontrolle für alle, die in einer sozial geförderten Wohnungen leben. Wenn wegen eines höheren Einkommens keine Förderungsnotwendigkeit mehr besteht, soll die Miete angehoben werden.
Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig interpretiert die Forderungen der Immobilientreuhänder als "Kampfansage". Im Sommer soll über eine neues Mietrecht verhandelt werden.
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