Ischgl: OGH sieht keine Haftung des Bundes wegen Corona-Infektion

Ischgl: OGH sieht keine Haftung des Bundes wegen Corona-Infektion
Gab Rekursen gegen Aufhebungsbeschluss des Oberlandesgerichts Wien statt. Epidemiegesetz diene ausschließlich dem Schutz der Allgemeinheit

In der Dauercausa Ischgl liegt eine richtungsweisende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor. Das Höchstgericht verneinte Amtshaftungsansprüche eines deutschen Touristen gegen die Republik. Dieser war im März 2020 während eines Aufenthalts in dem Tiroler Wintersportort offenbar mit dem Coronavirus angesteckt worden. Der OGH gab damit Rekursen der Finanzprokuratur gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts, des Oberlandesgerichts Wien (OLG), Folge.

Mehr dazu lesen Sie hier: Causa Ischgl - Schadenersatzklagen von sieben Millionen Euro

Das Höchstgericht bestätigte die Auffassung der Vorinstanzen, dass die der Behörde im Epidemiegesetz auferlegten Handlungspflichten "ausschließlich den Schutz der Allgemeinheit bezwecken", hieß es in einer Aussendung. Und offenbar nicht den Schutz des Einzelnen. Der in Deutschland wohnhafte Kläger hatte Schadenersatz und die Feststellung der Haftung des Bundes für alle weiteren Schäden gefordert.

Keinen Ansatzpunkt für mögliche Haftung

Auch in einer "unrichtigen Information" des Landes Tirol vom 5. März 2020 sah der OGH keinen Ansatzpunkt für eine mögliche Haftung. Das Land hatte mitgeteilt, dass am 29. Februar auf dem Rückflug von München nach Reykjavik ein bereits erkrankter Fluggast nach einer Italienreise an Bord war. Die Behörden nahmen an, dass die Ansteckung im Flugzeug und nicht in Tirol bzw. Ischgl passiert war.

Eine "unrichtige Information" könne nur dann zur Haftung führen, wenn "dadurch ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, der geeignet gewesen wäre, die Adressaten (die interessierte Öffentlichkeit) zu fehlerhaften Dispositionen, das heißt zu einem Aufenthalt an einem Ort, wo es letztlich zu einer Infektion mit Corona gekommen sein soll, zu verleiten", erklärte das Höchstgericht nunmehr. Die sei angesichts der "im Konjunktiv gehaltenen und vage formulierten Mitteilung" der Öffentlichkeitsarbeit des Landes Tirol nicht der Fall gewesen. Schließlich habe das Land von ersten Erhebungen gesprochen und auf weitere behördliche Abklärungen verwiesen.

Scharfe Kritik setzte es nach der Bekanntwerden der OGH-Entscheidung erwartungsgemäß vom Verbraucherschutzverein (VSV). Der OGH habe in seiner Veröffentlichung nicht berücksichtigt, dass die Kläger sich auch auf die EU-Grundrechte-Charta beriefen und dazu eine Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) notwendig wäre, meinte VSV-Obmann Peter Kolba in einer Aussendung.

"Diese Abfuhr für Geschädigte aus 45 Nationen ist eine tiefe Enttäuschung für diese, die durch die Fehler der Behörden in Tirol zum Teil schwere Schäden erlitten haben", zeigte sich Kolba empört: "Das Urteil ist ein Freibrief für Behörden, die während einer Pandemie nunmehr jeden Unsinn machen können, der ihnen einfällt." Man werde das Urteil jedenfalls genau analysieren. "Wir ziehen in Erwägung, gegen die Republik Österreich nun mit einer Staatshaftungsklage vorzugehen", brachte der VSV-Obmann eine weitere rechtliche Möglichkeit ins Spiel.

Erste Symptome unmittelbar nach Heimkehr

Das Land Tirol bekräftigte am Donnerstag in einer Reaktion, mit der Entscheidung stehe nunmehr fest, dass die Behörden auch zivilrechtlich nicht rechtswidrig oder schuldhaft gehandelt hätten. Man habe „stets das Möglichste getan, um gegen die Corona-Pandemie anzukämpfen“. Die Sichtweisen des Landes seien nun auch höchstgerichtlich bestätigt worden. „Nun ist es an der Zeit, nach vorne zu blicken“, erklärte Landesamtsdirektor Herbert Forster in einer Aussendung.

Der deutsche Kläger war am 7. März nach Ischgl gereist und hatte während seines Aufenthalts mehrere Après-Ski-Lokale besucht. Erste Symptome einer Infektion traten unmittelbar nach seiner Heimkehr am 13. März auf.

Der Verbraucherschutzverein hatte im September 2020 erste Amtshaftungsklagen gegen die Republik eingebracht, das Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien wies diese aber mit der Begründung ab, dass der Republik für die betreffenden Zeiträume "weder ein schuldhaftes noch ein rechtswidriges Verhalten anzulasten" sei. Im Juli des Vorjahres hob das Wiener Oberlandesgericht (OLG) dieses Urteil auf, weil es mit Feststellungsmängeln behaftet sei. Die Rechtssache wurde zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung ans Landesgericht für Zivilrechtssachen zurückverwiesen.

Die Finanzprokuratur legte daraufhin Rekurs gegen die Entscheidung des OLG ein. Mit Erfolg, wie sich nun herausstellte.

Strafrechtlich ohne Konsequenzen

Bereits seit längerem stand unterdessen fest, dass die Causa Ischgl auch strafrechtlich ohne Konsequenzen bleibt. Einst hatten sich in der Causa fünf Personen strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt gesehen. Dem Vernehmen nach handelte es sich dabei um den Tiroler Landesamtsdirektor Herbert Forster, den früheren Landecker Bezirkshauptmann Markus Maaß, den Ischgler Bürgermeister Werner Kurz sowie zwei Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft. Letztlich wurden aber keine Anklagen erhoben. Es gebe keine Beweise dafür, "dass jemand schuldhaft etwas getan oder unterlassen hätte, das zu einer Erhöhung der Ansteckungsgefahr geführt hätte", hatte es in der Begründung unter anderem geheißen. Daraufhin kündigte der Verbraucherschutzverein (VSV) an, einen Fortführungsantrag zu stellen, der aber letztlich auch ohne Erfolg blieb.

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