Salzburg bildet eigenen Einsatzstab an der Grenze
Die Frage, ob Deutschland weiterhin Sonderzüge für Flüchtlinge fahren lässt oder nicht, ist für Österreich von eminenter Bedeutung. Genau darüber aber herrschte am Sonntag große Unklarheit. Die Stadt Salzburg hatte mitgeteilt, dass ab Montag keine Sonderzüge mehr nach Deutschland fahren sollen. Das deutsche Innenministerium hingegen hat die Berichte zurückgewiesen: Bisher gebe es keinen solchen Plan, sagte ein Sprecher der dpa. Derzeit liefen aber entsprechende Gespräche. Die Berliner Senatsverwaltung teilte jedenfalls mit, dass am Montagvormittag noch ein Sonderzug aus Salzburg mit 450 Menschen in der Hauptstadt erwartet werde.
Seit Wochen überqueren Tausende Flüchtlinge im Osten Bayerns die deutsche Grenze. Sie waren zuvor über die Balkanroute nach
Österreich gekommen. Wegen der von Deutschland wieder eingeführten Grenzkontrollen zu Österreich ist der reguläre Zugverkehr auf der Strecke Salzburg-München seit dem 17. September unterbrochen. Seitdem wurden Flüchtlinge in
Sonderzügen nach Deutschland gebracht.
Sollte es keine Extra-Züge mehr geben, könnte das die Situation am Salzburger Bahnhof weiter zuspitzen, wo die Einsatzkräfte bereits jetzt an der Kapazitätsgrenze arbeiten.
Unabhängig davon, wie es mit den Sonderzügen weitergeht, wollen Stadt und Land Salzburg nun gemeinsam mit den Einsatzorganisationen die Versorgung der Menschen, die an der Saalachbrücke vor Freilassing auf die Grenzkontrolle warten, verbessern. Es wurde ein eigener Einsatzstab gebildet. Man werde die Infrastruktur an der Grenze verstärken, teilten Land und Stadt nach einer Besprechung am Sonntagmittag mit.
Hunderte warten
Am Sonntag warteten weiter viele Menschen auf die Grenzkontrollen. In der Nacht zuvor waren es rund 800 Personen gewesen. In der alten Autobahnmeisterei, die sich rund eineinhalb Kilometer von der Grenze entfernt befindet, steht ein Notquartier mit rund 500 Betten und Infrastruktur für die Flüchtlinge bereit. Dieses Quartier wird aber nur zögerlich angenommen, weil viele Flüchtlinge zu Fuß in Richtung Deutschland aufbrechen. Vor der Grenze gibt es im alten Zollgebäude auf österreichischer Seite eine Notstruktur mit Sanitätseinrichtungen. Um die Situation zu entschärfen, soll auch versucht werden, die an der Grenze wartenden Flüchtlinge zu überzeugen, das Quartier in der Autobahnmeisterei zu nützen.
Am Bahnhof hat sich die Situation am Sonntag vorerst leicht entspannt. Ein Sonderzug mit 421 Personen hat zu Mittag den Hauptbahnhof verlassen, rund 400 Flüchtlinge wurden mit sieben Bussen nach Oberösterreich gebracht. Für den Abend war ein weiterer Sonderzug für 400 Menschen geplant. Ob dies der letzte Sonderzug ist, war in Salzburg aber immer noch unklar. An diesem Wochenende muss die Stadt Salzburg die zum Notquartier umfunktionierte Tiefgarage beim Bahnhof leeren. Am Sonntagnachmittag befanden sich dort noch 200 Personen. Die Garage muss am Montag wieder generalgereinigt und desinfiziert werden, um weiter genutzt werden zu können.
Katastrophe mit Anlauf
"Rotes Kreuz und Caritas sprachen schon von einer sich ankündigenden humanitären und sanitären Katastrophe an der Grenze nach Freilassung. Diese droht uns auch am Bahnhof, wenn weitere Züge aus Wien, Graz oder Villach kommen", warnte Salzburgs Bürgermeister Schaden am Samstagabend.
Bereits in den vergangenen Tagen hatten die Salzburger Behörden immer wieder an Wien und Südösterreich appelliert, den Weitertransport der Menschen Richtung Salzburg zu verlangsamen. Aus den Notunterkünften im Süden Österreichs sind am Sonntag auch vorerst keine Weitertransporte von Flüchtlingen nach Salzburg geplant gewesen.
Aktuell sind etwa 15.000 Flüchtlinge in Österreich, 13.000 Menschen haben die Nacht auf Sonntag in betreuten Notquartieren verbracht. Der Flüchtlingsstrom nach Ungarn ist am Samstag erneut angestiegen. Laut Angaben der Polizei sollen 9.472 Flüchtlinge eingetroffen sein. 9.268 Migranten kamen über die kroatisch-ungarische, der Rest über die serbisch-ungarische Grenze nach Ungarn, berichtete die Ungarische Nachrichtenagentur MTI am Sonntag. Auch der Zustrom nach Österreich hat weiter angehalten. Im Burgenland trafen nach Schätzungen der Polizei bis zum späten Vormittag etwa 5.000 Menschen ein.
Rund 300 Flüchtlinge aus Kärntner Notquartieren sollten zudem im Laufe des Sonntags nach Kufstein in Tirol verlegt werden. 100 Personen aus der Unterkunft am Klagenfurter Südring waren am Nachmittag bereits in zwei Bussen unterwegs, sagte Polizeisprecher Markus Dexl zur APA. Rund 200 weitere Migranten sollen noch am Sonntag via Sonderzug nach Kufstein gebracht werden.
Mehr Geld für Grundversorgung
Mit Donnerstag wird immerhin die Unterbringung von Flüchtlingen besser entlohnt. Der Kostensatz in der Grundversorgung steigt von derzeit 19 Euro täglich auf 20,5 Euro. Ab Jänner geht es noch einmal 50 Cent nach oben auf 21 Euro, die Quartiergeber pro Tag und Asylwerber erhalten. Freilich wird das Geld erst rückwirkend fließen, denn es braucht noch einen entsprechenden Zusatz zur 15a-Vereinbarung von Bund und Ländern in Sachen Grundversorgung. Erst wenn der von Nationalrat und Landtagen abgesegnet ist, können die zusätzlichen Zahlungen zur Gänze vorgenommen werden. Grundsätzlich gilt der erhöhte Satz für ab Oktober neu abgeschlossene Verträge. Allerdings können die Länder auch schon bisher tätigen Quartiergebern Vertragsänderungen mit erhöhtem Satz ermöglichen. Nichts ändert sich beim Taschengeld, das pro Person bei 40 Euro bleibt.
Sicherheitskreise gehen einem Bericht der "Welt am Sonntag" zufolge davon aus, dass monatlich bis zu 100.000 Afghanen ihr Heimatland verlassen. Ein Teil suche im Iran, in Pakistan oder in den Arabischen Emiraten Arbeit, sagte der Chef der Afghanistan-Mission der Internationalen Organisation für Migration (IOM), Richard Danziger. Viele würden aber auch nach Europa fliehen.
Danzing geht davon aus, dass in diesem Jahr bisher rund 70.000 Afghanen in Europa angekommen sind. In Österreich waren es bis Ende Juli 8.490, womit Afghanen hinter Syrern die zweitgrößte Gruppe von Asylsuchenden sind. Knapp 23 Prozent aller Asylanträge werden laut Statistiken des Innenministeriums von ihnen gestellt.
Deutsche Sicherheitsbeamte führten die steigende Flüchtlingszahl aus Afghanistan insbesondere auf eine Entscheidung der Regierung in Kabul zurück, berichtet die "Welt am Sonntag". Diese habe Anfang des Jahres begonnen, elektronisch lesbare Pässe auszugeben, mit denen eine Ausreise in den Iran möglich sei. Die Nachfrage sei enorm. "Wir haben nicht genug Beamte und technische Möglichkeiten, um rechtzeitig zu liefern", sagte der Leiter der afghanischen Passbehörde, Sayed Omar Saboor.
Nach Angaben aus deutschen Sicherheitskreisen habe die Zahl der Flüchtlinge aus Afghanistan zudem zugenommen, nachdem die Bundesregierung im August ihre Asylbewerberprognose für 2015 auf insgesamt 800.000 erhöht hatte. In Afghanistan sollen Schlepper daraufhin das Gerücht gestreut haben, dass Deutschland über diese Zahl hinaus keine Flüchtlinge mehr aufnehmen werde. Die Folge sei eine massenhafte plötzliche Ausreise gewesen.
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