Experte fordert Ausstiegshilfe für Austro-Jihadisten
Wenn der Politologe Thomas Schmidinger heute den Biber aufschlägt, liest er Altbekanntes: Das Magazin berichtet über „Austro Jihadisten“. Wie schon im kurz vor der Nationalratswahl präsentierten Verfassungsschutzbericht 2012 zu lesen ist, sind angeblich 50 in Österreich wohnhafte Muslime in Syrien im Kampfeinsatz, neun sind zurückgekehrt. Neu ist laut Biber, dass Verfassungsschützer fünf Moscheen und einen Heimkehrer überwachen und gegen einen zweiten radikalen Jugendlichen ein Ermittlungsverfahren läuft.
Es ist wie immer das gleiche Muster: Es gibt Verdächtige, staatliche Organe beobachten. Und die Quintessenz daraus? Die fehlt dem auf den politischen Islam und den Nahen Osten spezialisierten Wissenschafter in den meisten Fällen: „In Österreich gibt es überhaupt keine Anlaufstelle für solche jungen Salafisten. Das ist ein fatales Versäumnis.“
Konkret fordert Schmidinger eine staatliche Beratungsstelle für salafistische Jugendliche und deren Angehörige, die interdisziplinär besetzt und mit Community-Know-How ausgestattet ist. Weshalb für Angehörige? Sie können ein Schlüssel sein, um die abgekapselten Jugendlichen zu erreichen.
Selbsthilfgruppe
Eine solche Selbsthilfegruppe von Eltern improvisierte Schmidinger in Wien. Nach einem Aufruf im Internet vernetzte er die ratlosen Angehörigen. Der Eigeninitiative mangelt es natürlich an Geld. Treffpunkt ist deshalb ein Kaffeehaus. Doch trotz ausbleibender Subventionen und widriger Umstände „helfen die Gespräche den Angehörigen enorm“.
Die vom Integrationsstaatssekretariat geplante Imame-Ausbildung wird laut Schmidinger den Radikalisierungstendenzen keinen Riegel vorschieben. Hierfür sei sie „irrelevant“. Schmidinger: „Das sind keine theologischen Probleme, sondern soziale und psychische.“
Der Biber berichtet von der Wandlung eines jungen Mannes zum kampfbereiten Jihadisten. Rauschebart, ein frommes Leben, Syrien – das waren dessen Stationen. Pauschal könne man laut Schmidinger dieses Phänomen nicht erklären. Gemeinsam hätten viele eine „krisenhafte Erfahrung“ mit „ihrer Identität, am Arbeitsplatz oder psychischer Natur“. Deshalb brauche man Sozialarbeiter und keine Theologen.
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