Lebensrettendes Allergiker-Medikament fehlt seit Monaten

Lebensrettendes Allergiker-Medikament fehlt seit Monaten
Lebensrettende Injektoren für Risikopatienten sind wegen eines Lieferengpasses seit Monaten nicht erhältlich

Markus S. war in seinem Garten im Weinviertel, als das Worst-Case-Szenario eintrat. Er spürte einen Stich im Nacken, eine Wespe hatte ihn gestochen. Für Allergiker S. ein potenziell lebensbedrohlicher Vorfall. „Ich bin Risikopatient der Stufe 5“, erklärt er. Ständig muss er zwei Adrenalin-Autoinjektoren bei sich tragen. Dieser „EpiPen“ rettete ihm auch am 14. September das Leben. Die Rettung brachte ihn ins Spital, bald konnte er entlassen werden. Nur einen neuen Autoinjektor erhielt er nicht mehr: Lieferengpass.

„Ich habe mit vielen Apotheke telefoniert und es gibt keinen ,EpiPen‘ vorrätig“, erzählt S. „Das ist Wahnsinn für Allergiker.“ Auch zwei weitere Ersatzprodukte sind vielfach vergriffen. Für rund 700.000 Menschen, die mit sehr schweren oder schweren allergischen Reaktionen auf Wespen-, Bienen- oder Hornissenstichen reagieren, ist das extrem gefährlich.

Tatsächlich kämpft Meda Pharma, die den „EpiPen“ vertreibt, seit Monaten mit europaweiten Lieferproblemen wegen Produktionsverzögerungen beim Hersteller Pfizer. Bereits im April erfolgte eine Meldung beim Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen. Im September gab das Unternehmen bekannt, dass Chargen des „EpiPens“, deren Verfallsdaten mit September bzw. Oktober angegeben sind, vier Monate länger benutzt werden können, „um die derzeitige Vertriebseinschränkung zu entschärfen.“ Erst mit voraussichtlich 30. September, so die Meldung bei der Apothekerkammer, soll wieder regulär geliefert werden können. Bei Meda Pharma wird betont, schon wieder auszuliefern, allerdings könne man die Nachfrage nicht so rasch aufholen.

Dass es überhaupt zu Engpässen kommt, ist für Christoph Baumgärtel, Experte der Arzneimittelbehörde, ein Effekt der Monopolisierung in der Pharmaindustrie: „Es gibt immer weniger Hersteller, weil immer mehr Firmen aufgekauft werden. Dementsprechend gibt es kein zweites Sicherheitsnetz, wenn ein Hersteller ausfällt.“

Um Engpässe zu minimieren, arbeitet die Behörde an einem Gesetz, sagt Baumgärtel: „Bisher meldeten Pharmafirmen ihre Engpässe freiwillig oder gar nicht. Wir wollen ein Gesetz, dass sie verpflichtet, diese Lieferschwierigkeiten bekannt zu geben.“

Vorbereitungszeit

Lebensrettendes Allergiker-Medikament fehlt seit Monaten

Allergiker Markus S.

Das Gesundheitsministerium bestätigt, dass eine gesetzliche Meldeverpflichtung bei Versorgungsproblemen, die länger als zwei Wochen dauern, geschaffen werden soll. Derzeit müssen nur Einschränkung des Vertriebs aufgrund von Qualitätsmängeln gemeldet werden. Experte Baumgärtel sieht darin nicht die Lösung, „aber wir haben dadurch eine längere Vorbereitungszeit“. Außerdem will die Behörde einen Exportstopp bei Engpässen. „Wenn in Deutschland zum Beispiel ein Medikament fehlt, dann wollen wir verhindern, dass die Pharmaunternehmen die Kontingente für Österreich nach Deutschland verkauft.“

Seitens der Industrie beruhigt man: „Wir haben in Österreich eine außerordentlich hohe Lieferfähigkeit von nahezu 99 Prozent“, betont eine Vertreterin des Verbands der pharmazeutischen Industrie. „Und ein Lieferengpass bedeutet noch keinen Versorgungsengpass.“

Im Fall der Wespenstichallergiker gibt es aber sehr wohl einen Versorgungsengpass: Auch zwei Ersatzprodukte sind vielfach vergriffen. Deren Hersteller haben selbst Produktionsprobleme oder können ihre Kapazitäten nicht entsprechend erhöhen.

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