Ein Bär ohne Scheu vor Menschen

Wildtier reißt Schafe in Siedlungsnähe. Biologe: "Bär kann zum Problem werden".

Hungrig, geschickt sowie schlau scheint jener Braunbär zu sein, der derzeit durch Achomitz (Gemeinde Hohenthurn; Bezirk Villach-Land) streift. Und alles andere als menschenscheu. Denn die Schafe, die die Bauern aus Angst vor dem Bären nicht mehr auf der Alm weiden lassen, holt er sich nun im Tal. Der zuständige Wildbiologe rät zur Vorsicht.

Der erste Schafskadaver wurde am Freitag in Achomitz gefunden – auf einer durch einen Elektrozaun gesicherten Weide. Der zweite am Samstag im Auslauf der Sprungschanze, 200 Meter von einer Siedlung entfernt. Diese Weide war durch einen Maschendrahtzaun gesichert, der für diesen Bären ebenfalls keine unüberwindbare Hürde darstellte.

"Es handelte sich jeweils um frische Risse von Mutterschafen, die eindeutig einem Bären zuzuordnen sind. Die Tatorte sind rund einen Kilometer voneinander entfernt, wahrscheinlich war es ein und dasselbe Tier", sagt Wildbiologe Thomas Huber.

Abschuss gefordert

Die zehn Schafsbauern in Achomitz und den angrenzenden Ortschaften Göriach und Feistritz sind geschockt. "Wir dachten, dass wir das Problem lösen, indem wir die Schafe extra zu ihrem Schutz im Tal lassen. Aber der Bär lässt sich nicht austricksen. Jetzt kommt er eben zu uns", schüttelt Hohenthurns Bürgermeister Florian Tschinderle (ÖVP) den Kopf. Er hält selbst 50 Schafe, verlor vergangenen Sommer zwölf durch Bärenrisse auf der Alm. "Wir müssen den Bären zum Abschuss bringen", lautet seine Forderung.

"Wenn sich das Tier durch Zäune nicht stoppen lässt, sind die Möglichkeiten begrenzt. Die beiden Risse zeigen: der Problembär geht dorthin, wo die Schafe sind", meint der Gailtaler Jäger Johannes Leitner, der vor Ort oft auf Bärenspuren stößt.

Das Wort "Problembär" will Huber zwar nicht in den Mund nehmen, er betont aber: "Wenn sich das aktuelle Muster wiederholt und der Bär keine Scheu zeigt, kann es gefährlich werden. Er könnte sich wie einst Bruno (Dieser Braubär hatte bei seinen Streifzügen im bayrisch-österreichischen Grenzgebiet in besiedeltem Gebiet zahlreiche Nutztiere geschlagen. Im Jahr 2006 war er von der Bayrischen Staatsregierung zum Abschuss freigegeben worden, Anm.) in eine bedenkliche Richtung entwickeln."

War es Rudolf?

Im Vorjahr hatte in Kärnten ein junger Bär namens Rudolf Schlagzeilen produziert, weil er sich bis zum Villacher Bahnhof vorgewagt hatte. Die Biologen wollen jetzt prüfen, ob es sich beim aktuell auffälligen Bären um diesen "pubertierenden" Rudolf handelt – er und fünf weitere ständig durch Kärnten streifende Bären sind in einer DNA-Datenbank des Landes registriert. "Ich habe in Achomitz Speichelproben vom Biss genommen und am Montag zum DNA-Abgleich ans Naturhistorische Museum nach Wien geschickt", berichtet Huber. "Wir werden in den nächsten Monaten die Entwicklung und das Verhalten dieses Bären genau beobachten. Wagt er sich weiter zu den Häusern, wird es bedenklich", erklärt der Wildbiologe.

Sollte es zu einer Begegnung mit dem Tier kommen, rät Huber: "Menschen müssen durch lautes Sprechen auf sich aufmerksam machen, sich dann zurückziehen. Der Bär wird dasselbe tun."

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