Die Arschlöcher sind los

Ein Radrennfahrer wird auf dem Podium von zwei Frauen flankiert und von einer geküsst.
US-Philosoph Aaron James erforscht ganz normale Ungustln, die uns das Leben zur Hölle machen. Und er gibt Tipps wie man mit ihnen umgeht

Das Arschloch begegnet uns in Gestalt eines karrieregeilen, meist männlichen Chefs, eines wichtigtuerischen Nachbarn oder eines rücksichtslosen Arbeitskollegen, ist aber nicht so häufig wie man vielleicht annimmt. „Einer von 100 Mitmenschen ist ein Arschloch“, schätzt der Philosoph Aaron James, der sich mit dem Phänomen befasst.

Silvio Berlusconi richtet seine Krawatte.
epa04006190 (FILE) A file picture dated 23 February 2007 shows Forza Italia leader and former Italian premier Silvio Berlusconi leaving Quirinale Palace in Rome, Italy. Former Italian prime minister Silvio Berlusconi on 02 January 2014 filed an appeal against his conviction for sex solicitation and abuse of power stemming from the so-called 'bunga bunga' scandal. He is seeking an acquittal on the grounds that no crime was committed after he was given a seven-year jail term and a lifetime ban on holding public office in June for soliciting sex from a minor, night club dancer Karima 'Ruby' El Mahroug, and then abusing his position to cover up the affair. EPA/ETTORE FERRARI *** Local Caption *** 02425614


Der US-amerikanische Forscher interessiert sich für jenen Typ Mensch, bei dem „das Arschloch-Verhalten“ zum Charakter gehört. Es gehe ihm weder um Menschen, die man gemeinhin als Trottel, Idiot oder einfach nur Arsch bezeichnet, noch um das „Ober-“ oder „Borderline-Arschloch“ oder Psychopathen, sondern „um das ganz durchschnittliche, alltägliche Arschloch“, dessen moralisch verwerfliches oder tatsächlich schädliches Verhalten seine Umgebung empört.


Das Arschloch, das der Psychologe meint, stammt nicht aus dem Bodensatz der Gesellschaft. Der Schaden, den das gewöhnliche Arschloch uns antut, ist nicht vergleichbar mit dem von Mördern oder Vergewaltigern. Das Arschloch ist ein permanentes Ärgernis. Wegen ihm müssen wir länger in der Schlange vor der Theater-Garderobe warten, weil sich das gemeine „A“ einen Spaß daraus macht, sich vorzudrängeln. Es sieht es als sein Recht an, vor allen anderen bedient zu werden. Eine Arschloch-Spezies, die man in Wien übrigens häufig antrifft.

Ann Coulter spricht auf der CPAC 2012.
Political commentator and author Ann Coulter addresses the American Conservative Union's annual Conservative Political Action Conference (CPAC) in Washington, February 10, 2012. REUTERS/Jim Bourg (UNITED STATES - Tags: POLITICS)

Damit bricht das „A“ einen sozialen Konsens. Denn wenn Menschen in einer Schlange stehen und nicht nach vor drängeln, dann deshalb, weil alle Beteiligten diese Praxis für gewöhnlich einsehen. Nur wenn sie den Wartenden erklären, dass es sich um einen Notfall handelt, wird man anstandslos vorgelassen.
Dieter Bohlen mit Sonnenbrille und Zeitung „Kurier“.
Dieter Bohlen bei seinem Besuch des G3 Shopping Centers in Gerasdorf.

Gehässig und anzüglichAus dieser Alltagsbeobachtung lasse sich ableiten, sagt James, dass es normale Erwartungen und besondere Umstände gebe. Alle Beteiligten betrachten sich in dieser Normalsituation als gleichberechtigt. Das Arschloch sieht hingegen keine Veranlassung, auf besondere Umstände zu warten. Es – meistens ist es aber ein „er“ – nimmt sich „systematisch und ganz nach Belieben Freiheiten heraus“, erläutert James. Und zwar egal in welcher Lage es sich gerade befindet.


Das Arschloch drängelt sich vor, unterbricht andere, fährt rücksichtslos auf, weist andere ständig auf ihre eigenen Fehler hin, überhäuft seine Umwelt ständig mit anzüglichen Fragen und peinlichen Anspielungen, die in der Öffentlichkeit normalerweise kein Thema sind. Er ist oft unverschämt und gehässig, unachtsam und gedankenlos, auch wenn die Betroffenen nicht immer genau sagen können, gegen welche Höflichkeitsregeln er jetzt genau verstoßen hat.


Dieser Menschenschlag verschafft seinen Opfern schlaflose Nächte, Heulkrämpfe und setzt sie dem Gespött aus, wenn er es kann. Er selbst schläft hingegen ruhig. Sehr ruhig. Das A-Loch sehe in seinen Umständen schon allein deshalb etwas Besonderes, „weil sie ihn betreffen“, erläutert James. Es sei nämlich von seiner Einzigartigkeit überzeugt, Selbstreflexion diene ihm lediglich zur Selbstbestätigung.
Viele Arschlöcher haben das, was Psychologen eine „narzisstische Persönlichkeitsstörung“ nennen, die nur schwer zu behandeln sei. Liegt ein Arschloch auf der Couch wird es auf die Frage „Wie geht es Ihnen?“ antworten: „Ich habe das Gefühl, nicht die Achtung zu bekommen, die ich verdiene.“


Erste-Hilfe-SätzeTheoretiker James rät dazu, im Umgang mit diesen Typen bestimmt aufzutreten, sich nicht provozieren zu lassen und höflich, aber mit Nachdruck, klarzustellen, dass man etwas anders sieht. Und – wenn nötig – gegen ein bestimmtes Verhalten Protest einzulegen.


Business-Coach Gitte Härter nennt dazu konkrete Beispiele: „Ich möchte nicht, dass Sie in meinem Beisein diese derben Sprüche machen“ wirkt dann, wenn Grenzen überschritten werden. Wenn Sie den Tränen nahe sind, können Sie trotzdem stark wirken, wenn Sie sagen: „Das enttäuscht mich maßlos.“ Geht Ihnen ein Kommentar zu sehr gegen den Strich, geben Sie einen Warnschuss ab: „Das überhöre ich jetzt.“

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