Die Arschlöcher sind los

Das Arschloch begegnet uns in Gestalt eines karrieregeilen, meist männlichen Chefs, eines wichtigtuerischen Nachbarn oder eines rücksichtslosen Arbeitskollegen, ist aber nicht so häufig wie man vielleicht annimmt. „Einer von 100 Mitmenschen ist ein Arschloch“, schätzt der Philosoph Aaron James, der sich mit dem Phänomen befasst.

Der US-amerikanische Forscher interessiert sich für jenen Typ Mensch, bei dem „das Arschloch-Verhalten“ zum Charakter gehört. Es gehe ihm weder um Menschen, die man gemeinhin als Trottel, Idiot oder einfach nur
Arsch bezeichnet, noch um das „Ober-“ oder „Borderline-Arschloch“ oder Psychopathen, sondern „um das ganz durchschnittliche, alltägliche
Arschloch“, dessen moralisch verwerfliches oder tatsächlich schädliches Verhalten seine Umgebung empört.
Das Arschloch, das der Psychologe meint, stammt nicht aus dem Bodensatz der Gesellschaft. Der Schaden, den das gewöhnliche Arschloch uns antut, ist nicht vergleichbar mit dem von Mördern oder Vergewaltigern. Das Arschloch ist ein permanentes Ärgernis. Wegen ihm müssen wir länger in der Schlange vor der Theater-Garderobe warten, weil sich das gemeine „A“ einen Spaß daraus macht, sich vorzudrängeln. Es sieht es als sein Recht an, vor allen anderen bedient zu werden. Eine Arschloch-Spezies, die man in Wien übrigens häufig antrifft.

Damit bricht das „A“ einen sozialen Konsens. Denn wenn Menschen in einer Schlange stehen und nicht nach vor drängeln, dann deshalb, weil alle Beteiligten diese Praxis für gewöhnlich einsehen. Nur wenn sie den Wartenden erklären, dass es sich um einen Notfall handelt, wird man anstandslos vorgelassen.

Gehässig und anzüglichAus dieser Alltagsbeobachtung lasse sich ableiten, sagt James, dass es normale Erwartungen und besondere Umstände gebe. Alle Beteiligten betrachten sich in dieser Normalsituation als gleichberechtigt. Das Arschloch sieht hingegen keine Veranlassung, auf besondere Umstände zu warten. Es – meistens ist es aber ein „er“ – nimmt sich „systematisch und ganz nach Belieben Freiheiten heraus“, erläutert James. Und zwar egal in welcher Lage es sich gerade befindet.
Das Arschloch drängelt sich vor, unterbricht andere, fährt rücksichtslos auf, weist andere ständig auf ihre eigenen Fehler hin, überhäuft seine Umwelt ständig mit anzüglichen Fragen und peinlichen Anspielungen, die in der Öffentlichkeit normalerweise kein Thema sind. Er ist oft unverschämt und gehässig, unachtsam und gedankenlos, auch wenn die Betroffenen nicht immer genau sagen können, gegen welche Höflichkeitsregeln er jetzt genau verstoßen hat.
Dieser Menschenschlag verschafft seinen Opfern schlaflose Nächte, Heulkrämpfe und setzt sie dem Gespött aus, wenn er es kann. Er selbst schläft hingegen ruhig. Sehr ruhig. Das A-Loch sehe in seinen Umständen schon allein deshalb etwas Besonderes, „weil sie ihn betreffen“, erläutert James. Es sei nämlich von seiner Einzigartigkeit überzeugt, Selbstreflexion diene ihm lediglich zur Selbstbestätigung.
Viele Arschlöcher haben das, was Psychologen eine „narzisstische Persönlichkeitsstörung“ nennen, die nur schwer zu behandeln sei. Liegt ein Arschloch auf der Couch wird es auf die Frage „Wie geht es Ihnen?“ antworten: „Ich habe das Gefühl, nicht die Achtung zu bekommen, die ich verdiene.“
Erste-Hilfe-SätzeTheoretiker James rät dazu, im Umgang mit diesen Typen bestimmt aufzutreten, sich nicht provozieren zu lassen und höflich, aber mit Nachdruck, klarzustellen, dass man etwas anders sieht. Und – wenn nötig – gegen ein bestimmtes Verhalten Protest einzulegen.
Business-Coach Gitte Härter nennt dazu konkrete Beispiele: „Ich möchte nicht, dass Sie in meinem Beisein diese derben Sprüche machen“ wirkt dann, wenn Grenzen überschritten werden. Wenn Sie den Tränen nahe sind, können Sie trotzdem stark wirken, wenn Sie sagen: „Das enttäuscht mich maßlos.“ Geht Ihnen ein Kommentar zu sehr gegen den Strich, geben Sie einen Warnschuss ab: „Das überhöre ich jetzt.“
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