Bei Bellen Schmerzensgeld

Müssen Hundehalt ihr Tier im Fall eines ruckartigen Zuges stets bändigen können?
Frau kam zu Sturz, weil eine streunende Hündin ihr angeleintes Tier erschreckte.

Ein freilaufender Hund beißt grundlos einen Passanten oder einen angeleinten Artgenossen – die Rechtslage ist klar; der Hundehalter haftet, weil der Vierbeiner nicht ordnungsgemäß verwahrt wurde.

Was aber, wenn der Streuner einen angeleinten Hund anbellt oder erschreckt und diese Aktion Verletzungen zur Folge hat? Mit dieser Frage befasste sich der Oberste Gerichtshof aufgrund eines skurrilen Kärntner "Hundestreits". Das Urteil kommt das Frauchen einer unbeaufsichtigten Mischlingshündin teuer: Sie muss nun rund 15.000 Euro Schmerzensgeld zahlen sowie für sämtliche zukünftige Schäden aus diesem Unfall geradestehen.

"Shila" ist angeleint

Bei Bellen Schmerzensgeld
OGH, Urteil, Hunde, Hundestreit, Herlinde Möseneder aus Villach
Die Kärntnerin Herlinde Möseneder ist eine rüstige Pensionistin aus Villach. Vor einem Jahr führte sie in der Draustadt "Shila" aus. Die Mischlingsdame gehört einer Freundin, aber die 72-Jährige springt gerne als Hundesitterin ein. "Shila" ist angeleint, wie es sich gehört.

Der Spaziergang führt die beiden durch eine Wohnsiedlung, in der "Jana" zu Hause ist. Abgesehen davon, dass "Jana" ebenfalls keinen Stammbaum vorzuweisen hat, haben die beiden Hunde wenig gemeinsam: Denn "Jana" liebt die Freiheit, bricht immer wieder aus ihrer Liegenschaft aus, streunt durch die Straßen.

Am fraglichen Tag läuft "Jana" plötzlich auf die angeleinte "Shila" zu, bellt sie an, springt ihre Richtung. "Shila" erschrickt, was mit einem ruckartigen Zug an der Leine verbunden ist. Frau Möseneder stürzt und zieht sich einen Oberschenkelhalsbruch sowie einen Schambeinast-Bruch zu. Ein Krankenhausaufenthalt sowie eine lange Reha sind die Folge.

15.000 Euro

Nach ihrer Genesung klagte Frau Möseneder über den Villacher Anwalt Ingomar Arnez beim Landesgericht Klagenfurt rund 15.000 Euro Schmerzensgeld sowie Spesen für den Pflegeaufwand ein – und bekam recht. "Jana" sei nicht ordnungsgemäß verwahrt worden; diese Tatsache sei für den Sturz und die Verletzungen der Klägerin kausal gewesen, hieß es im Urteil vom April 2016.

Das in der Folge eingeschaltete Oberlandesgericht Graz sah die Sache zwei Monate später völlig anders:

Das Klagsbegehren wurde abgewiesen, weil die Klägerin durch das Verhalten des von ihr geführten Hundes umgerissen worden sei. "Der Hundeführer (also Frau Möseneder) trägt für die Beherrschung des eigenen geführten Hundes die alleinige Verantwortung", führte das Oberlandesgericht Graz aus. Auch im Fall eines ruckartigen Zuges an der Leine müsse sie den geführten Hund beherrschen. Dass dieser von einem anderen Tier gereizt worden sei, spiele keine Rolle.

Der "Hundestreit" ging in die letzte Instanz. "Und der Oberste Gerichtshof hat schließlich ins Treffen geführt, dass Frau Möseneder sich der Gefahr, die vom nicht ordentlich verwahrten Hund ausging, ja nicht bewusst ausgesetzt hat", sagt Jurist Arnez.

Reaktion auf Angriff

Im OGH-Erkenntnis heißt es: "Die Beklagte hat es ihrem Hund ermöglicht, frei auf einer öffentlichen Straße herumzulaufen, wobei es gleichgültig ist, ob der Hund geradezu bösartig ist, oder nicht. Die ruckartige Reaktion des geführten Hundes war unmittelbare Reaktion auf den Angriff des Hundes der Beklagten."

"Es hat lange gedauert, aber letztendlich hat die Gerechtigkeit gesiegt. Jeder sollte für seine Versäumnisse haften", resümiert jetzt Frau Möseneder.

"Janas" Frauchen hat unterdessen neben den bisher entstandenen Ausgaben von 15.000 Euro auch jene für zukünftige Schäden aus dem Vorfall zu übernehmen. Dazu kommen mehr als 5000 Euro aus Gerichts- und Anwaltskosten.

Kommentare