Älteste Prothese Europas in Kärnten gefunden

Fund in 1500 Jahre altem Grab: Ein Mann mit Holzprothese.
Bei einer Grabfreilegung am Hemmaberg wurde ein Mann mit einem 1500 Jahre alten Holzfuß entdeckt.

Wissenschafter des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) haben bei Ausgrabungen am Hemmaberg in Kärnten das Grab eines Mannes entdeckt, der schon vor 1.500 Jahren eine Fußprothese getragen hat. Der Mann hat den Verlust seines Fußes mehrere Jahre überlebt und die Prothese tatsächlich benutzt, berichten die Forscher im International Journal of Paleopathology.

Ältere derartige Ersatzglieder kenne man nur aus China, Ägypten und römischen Berichten. "In Europa ist es die bisher älteste Prothese", sagte ÖAI-Direktorin Sabine Ladstätter gegenüber der APA.

Fundstätte war ein Pilgerheiligtum

Seit Jahren legen die Archäologen des ÖAI am Hemmaberg einen Kirchenkomplex aus dem 5. und 6. Jahrhundert frei. Der Ort war im frühen Christentum ein großes Pilgerheiligtum. Bisher wurden dort sechs Kirchen sowie Sonderbestattungen in und um die Gotteshäuser ausgegraben. Personen von hohem sozialen Rang erhielten damals das Privileg einer kirchennahen Bestattung.

Auch der 2013 vom Archäologen Franz Glaser ausgegrabene Mann mit der Fußprothese hatte einen derart prominenten Bestattungsplatz gleich außerhalb der Kirchenmauer. Die Wissenschafter gehen davon aus, dass er in der Gegend gelebt hat, anthropologische Analysen über seine Herkunft stehen aber noch aus.

Die Region gehörte zunächst noch zum byzantinischen Reich, das aber zunehmend an Einfluss in diesen Randgebieten verlor. In der zweiten Hälfte des 6. Jahrhundert sei es dann zu einem verstärkten fränkischen Einfluss im Ostalpenraum gekommen, sagte Ladstätter.

Älteste Prothese Europas in Kärnten gefunden
ABD0040_20160113 - GLOBASNITZ - ÖSTERREICH: ZU APA0253 VOM 13.1.2016 - Wissenschafter des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) haben bei Ausgrabungen am Hemmaberg in Kärnten das Grab eines Mannes entdeckt, der schon vor 1.500 Jahren eine Fußprothese getragen hat. Im Bild: Die Prothese. - FOTO: APA/ÖAI - ++ WIR WEISEN AUSDRÜCKLICH DARAUF HIN, DASS EINE VERWENDUNG DES BILDES AUS MEDIEN- UND/ODER URHEBERRECHTLICHEN GRÜNDEN AUSSCHLIESSLICH IM ZUSAMMENHANG MIT DEM ANGEFÜHRTEN ZWECK UND REDAKTIONELL ERFOLGEN DARF - VOLLSTÄNDIGE COPYRIGHTNENNUNG VERPFLICHTEND ++

Jahrelanges Leben mit Holzfuß

Abgesehen vom hohen sozialen Rang des Mannes mittleren Alters, der mit einem Kurzschwert und einer Fibel bestattet wurde, offenbarte die Ausgrabung Besonderes: Sein linker Fuß war oberhalb des Knöchels abgetrennt. An dieser Stelle fand sich ein etwa sieben Zentimeter großer Eisenring und Holzreste. Die Anthropologin Michaela Binder vom ÖAI, die Erstautorin der nun veröffentlichten Arbeit, die derzeit im Sudan gräbt, interpretierte diese Funde als Prothese.

Röntgen- und CT-Untersuchungen des Skeletts zeigten, dass die Wunde gut verheilte, auch wenn es Anzeichen für eine ursprüngliche Knochenmarksentzündung gibt. Knochenschwund am linken Unterschenkel deutet einerseits darauf hin, dass der Mann das Bein nur mehr gering belasten konnte, andererseits auch darauf, dass er die schwere Verletzung mehrere Jahre überlebt hat.

Gute medizinische Versorgung

"Das zeigt aber auch, dass die medizinische Versorgung gut war und man sich auch die Mühe einer Behandlung gemacht hat. Das wiederum belegt den sozialen Status der Person, der die Möglichkeit hatte, sich verarzten und so gut pflegen zu lassen, dass er weiterleben könnte", sagte Ladstätter.

Auch wenn er das Bein nicht mehr voll belasten konnte, sieht Binder in der im Knie und Schulter festgestellten Arthrose Hinweise darauf, dass die Prothese tatsächlich benutzt wurde, möglicherweise unterstützt durch eine Krücke.

Nur spekulieren können die Wissenschafter darüber, wie der Mann seinen Fuß verloren hat, ob bei einem Kampf oder durch einen Unfall. Eindeutige Abnützungsspuren an den Knochen verrieten allerdings, das es sich um eine Person gehandelt hatte, die sehr viel geritten ist. Dies und die Art, wie der Fuß abgetrennt wurde, könnte darauf hindeuten, dass er auf dem Pferd sitzend bei einer Kampfhandlung die folgenschwere Verletzung erlitten hat.

Kommentare