"24 Stunden Schmerzen pro Tag"

Ein Krankenhausbett mit gelber Bettwäsche, einer Haube und Handschuhen.
Ein Routineeingriff soll schwere Folgen verursacht haben: Patient fordert Schadenersatz

Treppen steigen fällt Siegfried P. schwer, aber auch Sitzen oder Liegen. „Ich hab’ immer Schmerzen“, seufzt der Steirer und ein Gutachter, ein Primar des LKH Leoben, gibt ihm Recht: P. leide an therapieresistenten Dauerschmerzen 24 Stunden pro Tag. Verursacht wurde das laut P.s Anwältin Karin Prutsch durch eine nicht erkannte Komplikation nach einer Operation.

Im Dezember 2009 ließ sich der 58-Jährige wegen seiner Reflux-Erkrankung in einem Spital in Graz operieren. „Eigentlich hab’ ich mit dem Reflux zu 90 Prozent normal gelebt, ich hab’ das ganz gut im Griff gehabt“, schildert P. „Man hat aber mir gesagt, lassen Sie sich operieren, das ist ja eine Kleinigkeit. Nach drei Tagen sind Sie daheim.“

Quetschung

Daraus wurden vier Wochen, darunter eine Woche auf der Intensivstation. Bei der Laparoskopie unter Narkose, bei der eine Art Manschette um die Speiseröhre gelegt wurde, soll auch die Lunge gequetscht worden sein. „Das ist eine Komplikation, noch kein Fehler“, betont Anwältin Prutsch. Die Fehler seien danach passiert: Die Quetschung und die dadurch entstandene Eiterbildung seien im Spital nicht erkannt worden, trotz Computertomografie , hohem Fieber des Patienten und enormer Entzündungswerte: Der sogenannte CPR-Wert, der maximal fünf erreichen darf, schnellte bei P. auf 185.

Es sei danach zu massiven Entzündungen des Gewebes im Bauchraum gekommen, betont Prutsch. Laut Gutachter hätte das aber mit einer rechtzeitigen Drainage zum Ausspülen und Antibiotika verhindert werden können.

Ein Liter Eiter in Lunge

P. wurde sieben Mal operiert, aber erst spät: Beim ersten Nachfolgeeingriff Ende Jänner 2010 wurden ein Abszess und ein Liter Eiter aus der Lunge entfernt. Die Bauchmuskeln wurden durch ein Netz ersetzt, ein Stück Bauchdecke entfernt. „Ich hab’ da Spannungen, als ob sechs Leute auf mir knien.“ Die Schmerzmittel könne er nicht ständig nehmen, weil sie zu einem Darmverschluss führen. Auch der Reflux sei noch da, jedes Essen eine Tortur mit nachfolgendem Erbrechen, fünf bis sechs Mal täglich müsse er sich übergeben. „Ich war in Wiener Spitälern, bei guten privaten Ärzten“, schildert P. „Aber die alle haben gesagt, da greifen sie nichts mehr an, das ist eine Baustelle. Jetzt bin ich ein Krüppel.“ Was mehr wiege als ein Kilogramm, könne er gar nicht mehr heben. Seinen Beruf als Operationsgehilfe habe er aufgeben müssen: 37 Jahre lang habe er durchgehend gearbeitet, nun sei er berufsunfähig, bedauert P.

Klage wird vorbereitet

Karin Prutsch versuchte einen Vergleich mit dem Spital in Graz, dies wurde jedoch abgelehnt. „Da wurde damit begründet, dass man mit dem Inhalt des Gutachtens des Sachverständigen nicht einverstanden ist.“ Um 200.000 Euro Schadenersatz geht es. „Wir werden das ausfechten müssen“, befürchtet Prutsch und bereitet eine Klage vor, die am Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz eingebracht werden soll.

Vom Rechtsvertreter des betroffenen Spitals war gestern trotz Anfrage des KURIER keine Stellungnahme zu erhalten.

Nun dürfte feststehen, wie es zu dem fatalen Fehler im LKH Universitätsklinikum Graz gekommen ist: Laut Spitalsleitung habe es sich um „menschliches Versagen“ gehandelt. Wie berichtet, wurde einem leukämiekrankem Patienten in der Spitalsambulanz ein Mittel in das Rückenmark gespritzt, das für die Vene vorgesehen war: Durch diese Verwechslung kam es zu schweren Folgen für der Unternehmer, das Mittel greift die Gehirnzellen an. Der Mann liegt auf der Intensivstation.

Zunächst wurde vermutet, dass ein Etikett gefehlt haben könnte. Doch das wurde bereits Mittwochnachmittag ausgeschlossen: Alle Chemotherapeutika, mit denen der Grazer vergangene Woche behandelt wurde, trugen die korrekten Beschriftungen. Auch in der Spitalsambulanz waren sie noch vorhanden. „Somit ist in dieser Sache von einem Individualfehler auszugehen“, bedauert die Klinikleitung. Die betroffene Ärztin wurde vorerst beurlaubt.

Infusion und rote Info

Das Klinikum ändert aufgrund dieses Zwischenfalls seine Sicherheitsvorkehrungen. Die Spritzen, die zentral aus der Apotheke angeliefert werden, bekommen zusätzlich zum Etikett mit den Patientendaten einen roten Informationskleber. Außerdem werden jene Mittel, die in die Blutbahn kommen sollen, künftig nicht mehr als Spritze vorbereitet, sondern als Infusion: Dadurch kann das Mittel gar nicht in das Rückenmark injiziert werden. Ebenso wird neben behandelndem Arzt und Pflegekraft ein weitere Mediziner beigezogen, somit ein Sechs- statt Vier-Augen-Prinzip aufgebaut.

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