200-Millionen-Euro-Klagen sind fix

Es kann jederzeit wieder passieren. Und wir sind auf ein Hochwasser genauso wenig vorbereitet wie vor drei Jahren.“ Zahlreiche derartige Aussagen hört man in
Lavamünd von den Bürgern.
Dass die Kärntner Gemeinde, die am 5. November 2012 von einer Jahrhundertflut erfasst wurde, noch immer keinen Hochwasserschutz aufweist, bereitet den Einheimischen Sorgen, wie bei einem KURIER-Lokalaugenschein am „Jahrestag“ deutlich wird. Gestern, Donnerstag, endete außerdem die Verjährungsfrist für Schadenersatzklagen: Kraftwerksbetreiber Verbund wird mit Forderungen von rund 200 Millionen Euro konfrontiert.
Lavant und Drau plätschern friedlich vor sich und vereinen sich in
Lavamünd. Kaum zu glauben, dass die Drau vor drei Jahren einen Pegelstand von sieben Metern aufwies und die gesamte Gemeinde überflutete. „Hier haben wir uns aus dem ersten Stock in ein Boot gerettet“, erzählen Margit Fischer und Margarethe Grubelnig, die auf das Fenster eines Wohnhauses zeigen. „Den Hochwasserschutz gibt es leider noch immer nicht.“ Fritz Grimschitz weist auf die Drau und meint: „Auch wenn alle von einem Jahrhundertereignis reden. Wer garantiert uns bei den Wetterkapriolen heutzutage, dass die Flut nicht wieder kommt?“
Gläserne Mauer
Schutzmaßnahmen fehlen tatsächlich. Ein Plan, der in Kooperation mit den Bürgern erarbeitet wurde, liegt in der Schublade. Das Projekt beinhaltet 2,2 Kilometer lange Verbauungsmaßnahmen entlang der Flüsse. „Dabei handelt es sich um Anschüttungen und Mauern. Bei den Brücken sind zusätzlich mobile Elemente vorgesehen, die im Bedarfsfall aufgestellt werden“, berichtet Lavamünds Amtsleiter Martin Laber. An der Drau-Promenade soll die Mauer bis zu 2,80 Meter hoch werden, was aber einige Anrainer erzürnte. Daher will man transparente Elemente einfügen.
Zwischen zehn und 15 Millionen Euro wurden für die Schutzwälle veranschlagt, die 2017 fertiggestellt werden sollen. Das Land hat prinzipiell Hilfe zugesagt, aber 15 Prozent muss die Gemeinde selbst aufbringen. „Natürlich wird es auch Gespräche wegen finanzieller Unterstützung mit dem Verbund geben“, sagt Bürgermeister Josef Ruthardt.
Der Kraftwerksbetreiber Verbund wird von den Betroffenen für die Schäden mitverantwortlich gemacht, weil am 5. November 2012 Absenkungen zu spät und zu schnell vollzogen worden seien. Am Donnerstag endete die Verjährungsfrist für Schadenersatzklagen. Die Republik Slowenien geht in die Vollen und fordert 100 Millionen Euro. Schäden in dieser Höhe seien festgestellt worden, zitiert die slowenische Nachrichtenagentur STA den slowenischen Generalanwalt.
100 private Klagen
Dazu gesellen sich die Gemeinde Lavamünd, die slowenische Gemeinde Vuzenica, eine slowenische Versicherung, Dutzende Firmen und rund 100 Privatpersonen, die bis zum gestrigen Tag Schadenersatzforderungen eingebracht haben (das Land Kärnten hat übrigens auf eine Klage verzichtet). „Insgesamt rechne ich damit, dass 200 Millionen Euro eingeklagt wurden“, sagt Rechtsanwalt Franz Serajnik, der 50 Betroffene vertritt.
Der Verbund bleibt auf dem Standpunkt, richtig gehandelt zu haben. „Alle Vorschriften wurden strikt eingehalten“, betont Sprecher Robert Zechner. Was die Forderung der Republik Slowenien betrifft, hat der Konzern eine negative Feststellungsklage eingebracht. Zechner: „Das Gericht soll feststellen, dass der Verbund für Schäden in Slowenien sowieso nie verantwortlich sein könnte, weil auf dem Weg zu den Betroffenen in Slowenien mehrere andere Draukraftwerke ohne Hochwasserschutz dazwischenliegen.“
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