Zweifel ist der Weisheit Anfang
An Mimik und Gestik lassen sich Zweifel häufig ablesen
„Wer nichts weiß, zweifelt an nichts“, sagt ein französisches Sprichwort. „Mit dem Wissen wächst der Zweifel“, meinte Johann Wolfgang von Goethe. „Zweifel ist der Weisheit Anfang“, sagte der Denker René Descartes. Ähnlich Albert Einstein: „Mach’ dir keine Sorgen über deine Schwierigkeiten mit der Mathematik. Ich kann dir versichern, dass meine noch größer sind.“ Hingegen meint der deutsche Schriftsteller Christoph Lehmann: „Wer zu viel zweifelt, der verzweifelt.“
Im Zwiespalt
Zweifler sind fast immer in einem Zwiespalt. Sie sind selten entscheidungsfreudig, sofern sie überhaupt Entscheidungen treffen. Sie werden innerlich aufgerieben. Ein ewiger Zweifler kann meist kein normales, angenehmes Leben führen. Ferner sind Zweifler misstrauische Menschen, sie misstrauen jedem, sogar sich selbst, da sie sich zu keiner Entscheidung durchringen können. Diese Menschen leben ständig mit einer inneren Unruhe.
Zweifel ist ein Zustand der Unentschiedenheit zwischen mehreren möglichen Annahmen, da entgegengesetzte und unzureichende Gründe zu keinem sicheren Urteil oder einer Entscheidung führen können. Zweifel wird auch als Unsicherheit in Bezug auf Vertrauen, Handeln, Entscheidungen, Glauben oder Behauptungen bzw. Vermutungen interpretiert. So definiert der Duden Zweifel als „Bedenken, schwankende Ungewissheit, ob jemandem, jemandes Äußerung zu glauben ist, ob ein Vorgehen, eine Handlung richtig und gut ist, ob etwas gelingen kann“.
Zweifel als Sünde
In der voraufklärerischen Werteordnung galt Zweifel sowohl als Sünde als auch als Übel, das schnell beseitigt werden sollte und als Dauerzustand zur Verzweiflung führe. In der Aufklärung erhielt der Zweifel eine Aufwertung und gilt seither als Voraussetzung allen Erkenntnisfortschritts. Erkenntnistheoretiker weisen darauf hin, dass die Bedingung der Möglichkeit von Zweifel der Glaube an (eine) Wahrheit ist. Insbesondere Descartes erhob den Zweifel als philosophische Methode, die er in seinem Werk „Rede der Methode“ postulierte. Er ging davon aus, dass man jeden Zweifel durch rationale Überlegungen entkräften kann. Descartes gilt als Begründer des modernen frühzeitlichen Rationalismus.
Skepsis
Skepsis bezeichnet dagegen Bedenken durch kritisches Zweifeln. Skeptizismus ist ein Begriff zur Bezeichnung der philosophischen Richtungen, die das systematische Hinterfragen, nicht aber den blanken Zweifel zum Prinzip des Denkens erheben und die Möglichkeit einer Erkenntnis von Wirklichkeit und Wahrheit in Frage stellen oder prinzipiell ausschließen.
Berechtige Zweifel
Die neuzeitliche Wortverwendung bezeichnet jedoch häufig lediglich den Zweifel statt des Untersuchens und Forschens als Ausgang des Denkens. Für mich ist daher Skepsis sehr wohl überlegter und durchdachter Zweifel. Für den niederländischen Humanisten Erasmus von Rotterdam war ein Skeptiker kein Zweifler. „Der Name Skeptiker entspricht dem, was Skeptiker tun. Sie erforschen und denken gründlich nach. Es fällt ihnen schwer, sich auf etwas Bestimmtes festzulegen und sie verteidigen auch nicht das, was sie vermuten. Die Skeptiker folgen dem, was sich bewährt hat, Nicht-Skeptiker aber dem, was sie für gewiss halten.“
Der Zweifler ist für mich ein negativ denkender Mensch, der immer nur das sieht, was schief gehen könnte, während der Skeptiker versucht eine Erkenntnis aus dem Zweifel zu erlangen.
Alois Zangerle ist Unternehmensberater und akademischer Exportkaufmann. www.alois-zangerle.at, office@alois-zangerle
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