Wiener Blut: Klassiker der Operette mit Erfolgsgarantie

Wiener Blut
Die Operette „Wiener Blut“ bietet im Linzer Musiktheater drei Stunden Walzerseligkeit in einem opulenten Ambiente. Von Werner Rohrhofer.

Das Timing passt genau: Zum 200. Geburtstag von Johann Strauss steht „Wiener Blut“, eine der bekanntesten Operetten des Walzerkönigs, im Linzer Musiktheater auf dem Spielplan. 

Drei Stunden Walzerseligkeit in einem opulenten Ambiente, Handlung und Text bleiben nebensächlich. Jubel und Standing Ovations am Schluss der Premiere, die Erfolgsgarantie für den Operetten-Klassiker ist gegeben.

Wiener Kongress

Die Operette spielt um 1814/15 vor dem Hintergrund des Wiener Kongresses, bei dem es darum ging, Europa nach der Niederlage Napoleons neu zu ordnen. Demgemäß war der Kongress ein politisch heikles Zusammentreffen von staatlichen Eigeninteressen, verkörpert durch Herrscher, Politiker, Diplomaten und mehr oder minder intrigante Adabeis. In dieses Szenario fügen sich die Protagonisten von Wiener Blut nahtlos ein: Fürst Ypsheim-Gindelbach, Premierminister von Reuß-Greiz-Schleiz, und dessen Gesandter in Wien, Balduin Graf Zedlau. Beider Interessen sind nur bedingt auf Politik und Diplomatie gerichtet, primär geht es um den weiblichen Teil der Kongress-Szenerie, von der Gräfin bis zum Wiener Mädel.

Wiener Blut

Die Folge sind Verwicklungen, Verwechslungen und vergebliche Versuche, den Kopf aus der erotischen Schlinge zu ziehen. Genug Gelegenheit also für szenische Turbulenzen und eine einfallsreiche Dramaturgie. Massenszenen – etwa die um die Verteilung der „Torten Europas“ streitenden Diplomaten – sind die eine Seite. Die andere Seite ist die Musik, die zu Recht dominiert. Aktuelle EU-Anspielungen und kabarettistische Einlagen zwischen den Akten ergänzen das Geschehen.

Das Ensemble brilliert mit einer beeindruckenden Gesamtleistung, zeigt Spielfreude und kommt auch mit den manchmal holprigen Gesangstexten gut zurecht. Die TANZ-LINZ-Truppe setzt die Szenen bis ins Akrobatische perfekt um, der Chor des Landestheaters und das Brucknerorchester machen die Musik zum Erlebnis.

Konkursgefahr

Apropos holprige Gesangstexte: Das hat eine Geschichte. Man schreibt das Jahr 1899. Das Carltheater in Wien steckt in finanziellen Schwierigkeiten und soll mit einer neuen Operette des damaligen „Superstars“ Johann Strauss Sohn vor dem Konkurs gerettet werden. Der 74-jährige Strauss ist aber gesundheitlich nicht mehr in der Lage, eine neue Operette zu komponieren. In der Folge werden 31 frühere Tanzmelodien des Walzerkönigs vom Kapellmeister Adolf Müller zu einer Operette zusammengebastelt, die den Namen „Wiener Blut“ – nach einem Konzertwalzer aus dem Jahr 1873 – erhält. 

In der Fachwelt nennt man diese Zusammenfügung von vorhandener Musik „Pastiche-Operette“. Das Libretto verfassen Victor Leon und Leo Stein. Sie stehen vor dem Problem, ihre Liedtexte um jeden Preis an die bereits fix und fertigen Walzer, Polkas und Märsche von Strauss anpassen zu müssen. Am 26. Oktober 1899 findet die Uraufführung von Wiener Blut statt, die der Komponist aber nicht mehr erlebt, er stirbt im Juni 1899. Womit ihm auch eine herbe Enttäuschung erspart bleibt, Wiener Blut ist vorerst alles andere als ein Erfolg. Was, so mutmaßen die Experten, vor allem an der Handlung lag: 1899 hatten die Menschen ihren Blick und ihre Erwartungen auf das neue Jahrhundert gerichtet, das Thema Wiener Kongress entsprach nicht dem Zeitgeist. Der Erfolg von Wiener Blut stellte sich erst nach einer Neuinszenierung 1905 im Theater an der Wien ein.

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