Weißhaidinger: „Wir haben nur sechs Versuche in vier Jahren“

Der Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger
Der 143-Kilo-Mann Lukas Weißhaidinger aus dem Innviertel zählt bei den Olympischen Spielen in Paris im Diskuswurf zu Österreichs größten Medaillenhoffnungen. Von Gerhard Marschall.

Am 5. August wird es bei den Olympischen Spielen in Paris ernst für die Diskuswerfer, da findet im Stade de France die Qualifikation statt. Die besten Acht dürfen zwei Tage später im Finale um die Medaillen rittern. Der 32-jährige Oberösterreicher Lukas Weißhaidinger zählt zu den Favoriten. Immerhin hat er im Vorjahr die zwei Kilo schwere Scheibe schon einmal über die 70-Marke hinaus geschleudert. Bei den Spielen 2021 in Tokio hat „Luki“, wie ihn seine Fans nennen, Bronze gewonnen, vor Kurzem bei der EM in Rom Silber.

KURIER: Dabeisein ist alles, lautet das olympische Motto. Das wird wohl für Sie in Paris nicht gelten.

Lukas Weißhaidinger: Ich möchte natürlich in Richtung Medaillen kommen und weiß, dass ich es draufhabe. Das möchte ich abrufen. Es kennt ein jeder ungefähr seine Position. Wenn es nicht hinhaut, bekommt ein jeder eine auf den Deckel.

Welche Weite wird für eine Medaille voraussichtlich notwendig sein?

Ich denke, dass es sich so bei 69 Meter entscheiden wird.

Zuerst gilt es die Qualifikation zu bestehen. Wollen Sie es wieder spannend machen?

Ehrlich gesagt will ich nur in das Finale, Stress brauche ich keinen. Man muss in der Qualifikation nicht glorreich werfen. Die besten Würfe sollte man sich für schon für das Finale aufheben.

Sie haben im Winter Ihre Technik umgestellt. Was konkret haben Sie verändert?

Das Wesentliche war, weniger aus den Hebeln, sondern mehr aus der Geschwindigkeit heraus zu werfen. Ich habe ein bisschen Gewicht verloren und daran gearbeitet, die Hüfte schnell nach vorne zu bringen – Speed, Speed, Speed! Das scheint mir gut zu gelingen, es fühlt sich in den letzten Wochen immer besser an.

War die Silbermedaille bei der Europameisterschaft in Rom Ergebnis dieser Umstellung?

Absolut. Was gibt es mehr Bestätigung als eine Medaille? Die Besten der Welt sind in Europa.

Es sind das Ihre dritten Spiele. Spüren Sie dieselbe Vorfreude wie beim ersten Mal? Oder ist alles schon Routine?

Beim ersten Mal in Rio war es cool, dabei zu sein, sagen zu können: Ich bin Olympionike. Tokio mit der Bronzemedaille war sowieso etwas Besonderes. Jetzt wird es aber um einiges schöner, es sind die ersten Spiele mit Fans. Obwohl die Ticketpreise sehr hoch sind, werden einige hinausfahren. Deswegen freue ich mich sehr auf Paris.

Wie schauen die letzten Vorbereitungen aus?

Wir hatten noch ein sehr hartes Training, um Kraft zu machen. Jetzt ist der Peak erreicht, wo man sich mit überehrgeizigem Training nur noch verletzen kann. In der verbleibenden Zeit soll sich der Körper erholen. Ich habe zuletzt den Diskus nur noch dreimal in die Hand genommen, um ein bisschen schneller zu werden. Jetzt heißt es, Ruhe zu bewahren und daran zu glauben, dass ich beim Einwerfen top drauf bin. Das zeichnet gute Trainer wie Gregor Högler aus, dass sie wissen, was dem Athleten guttut.

Wie werden Sie Spannung aufbauen? Gibt es dazu ein spezielles Ritual?

Es sind Olympische Spiele! Wenn du da keine Spannung draufhast, hast du den falschen Beruf. Es gibt keinen, der sich für Olympia extra motivieren muss.

Braucht es auch eine gewisse Nervosität?

Die hat jeder, der Olympiasieger wie der Dreißigste. Der Unterschied ist: Die einen machen es gut, und die anderen machen es schlecht.

Diskuswerfer wirken absolut gelassen. Ist das angelernt, um die Konzentration hochzuhalten? Oder liegt das im Wesen der Athleten, die sich für diesen Sport entscheiden?

Eine gute Frage, ich weiß es nicht. Ein Teil ist auch Pokerface, so ehrlich muss man sein. Die Gelassenheit kommt über die vielen Wettkämpfe. Man weiß, wie die Abläufe sind, was man zu tun hat. Es wird vermutlich auch mit unserer Statur zu tun haben. 100-Meter-Sprinter sind sicher ein bisschen quirliger als wir.

Diskuswurf ist eine sehr komplexe Disziplin. Worauf kommt es vor allem an?

Kraft, Explosivität, Technik sind Grundvoraussetzungen. Auch Variabilität, um sich auf die jeweilige Wettkampfsituation einstellen zu können. Es muss vom Andrehen bis zum Abwurf alles perfekt funktionieren. Was ich am spannendsten finde: Du hast auf dieses Ereignis hintrainiert und musst an dem einen Tag Nerven aus Stahl haben, egal ob gerade die Oma gestorben ist oder was sonst rundherum passiert. Du musst am Tag X bereit sein, keinen Tag früher und keinen Tag später. Ein Fußballer hat jede Woche 90 Minuten, um zu gewinnen. Wir haben sechs Versuche in vier Jahren, nicht mehr und nicht weniger. Das ist sehr speziell und schon cool.

Wie viele Würfe absolvieren Sie im Jahr?

Ich würde schätzen circa 20.000.

Wie schaffen Sie es, sich jeden Tag aufs Neue für die harte Trainingsarbeit zu motivieren?

Weil man wieder auf dem Podium stehen will, Punkt aus! Das ist der größte Hunger eines Sportlers.

Welche Rolle spielt richtige Ernährung?

Eine wesentliche. Wenn du den Körper mit schlechtem Treibstoff versorgst, wirst du keine Höchstleistung erbringen können. Das geht nur mit guter Ernährung, aber auch mit Nahrungsergänzungsmitteln. Du kannst auch einen Ferrari nicht mit Normalbenzin fahren.

Wie viele Kalorien müssen Sie täglich zu sich nehmen, um Ihr Wettkampfgewicht Kilo halten?

Circa 3.000. Im Winter, wenn man hart trainiert, mehr, vor Wettkämpfen weniger.

Sie werben für die Brauerei Ried. Darf es manchmal ein Halbe Bier sein?

Ich bin Markenbotschafter für die „Rieder Weisse alkoholfrei“. Dass sich Spitzensport mit Alkohol nicht verträgt, ist klar. Aber natürlich reißt es ab und zu ein Normales auch mit.

Gibt es so etwas wie eine Lieblingsspeise?

Wiener Schnitzel mit Pommes.

Nach Paris ist Andorf am 17. August. Sie sind dort Stammgast. Was bedeutet dieses Meeting für Sie?

Sehr viel. Es ist einfach schön, wenn man daheim werfen kann. Auch wenn es für mich nicht immer einfach ist, weil man sich gut präsentieren möchte. Da spielt eine andere Nervosität eine Rolle als bei Olympischen Spielen.

Sie trainieren in Schwechat, leben in Wien, sind viel in der Welt unterwegs. Wo ist Ihr liebster Platz?

Taufkirchen an der Pram. Das ist für mich Heimat.

Was macht Heimat für Sie aus?

Die hügelige Gegend, der Granitboden, das ist schon irgendwie ein wilder Westen. Und natürlich die Leute, die ein ganz besonderer Menschenschlag sind. Herzliche, liebe Leute, die zusammenhelfen. Auch ihr Stolz, dass sie sich nicht verbiegen lassen.

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