„Thomas Bernhard hat immer nur gefragt“

Ein älterer Mann sitzt an einem Tisch in einem traditionellen Lokal.
Serie Bernhards Wirtshäuser: Beim Bahnwirt in Bergern lauschte Thomas Bernhard den Jägerdebatten. Von Gerhard Marschall.

„Schreib auf“, sagt der Mann am Stammtisch beim Geßwagner in Ottnang am Hausruck und tippt in altbäuerlicher Bestimmtheit in das Notizbuch: Der Senior von der Landmaschinenwerkstätte Gründlinger sei mit Thomas Bernhard zusammengesessen. „Mit dem kannst reden.“ Na, dann!

"Er war komisch"

Josef Niedermayr wird demnächst 87, er arbeitet noch täglich im Betrieb des Sohnes mit. Ein verschmitztes Lächeln zeugt von Humor und Altersweisheit. Seine Meinung über Bernhard zusammengefasst: „Er war komisch, aber man hat sich gut vertragen können mit ihm.“ An die erste Begegnung erinnert er sich noch gut.

Der "Hanspäu"

„Kennst mi eh, i bin der Hanspäu“, habe Bernhard gesagt. Hanspaul lautet der Hausname der Liegenschaft in Niederpuchheim, die er 1972 erwarb. Niedermayr hat dort einige Arbeiten verrichtet: eine Wasserleitung war zu verlegen, das Hoftor zu reparieren, ein Stiegengeländer zu montieren. Ein Auftrag habe ihm gar nicht gefallen, als er die vom Tischler angefertigte Verkleidung des Zählerkastens entfernen und durch eine aus Blech ersetzen musste. „Das hat er sich eingebildet.“

„Eine Gaudi war es auch einmal“, erinnert sich Niedermayr an einen fröhlichen Bernhard: Der habe ihm im ersten Stock ein Bett gezeigt, das durchgebrochen war. „Er hat gesagt, das ist mit der Sekretärin passiert. Da hat er so eine Freude gehabt.“

Ein älterer Mann mit Mütze und Handschuhen steht vor einem beschädigten Auto.

Josef Niedermayr

Beim Plötzeneder in Bergern seien sie sich begegnet, ohne aber viel miteinander zu reden, erzählt Niedermayr. „Was sollte man mit ihm reden“, wendet Seniorwirt Rudolf Plötzeneder (83) ein. „Er hat immer nur gefragt und nie gesagt, was er macht und warum.“ Stimmt nicht, korrigiert er sich: „Dass er das Haus wegen der schönen Aussicht auf das Alpenvorland gekauft hat, hat er schon erzählt.“ Neugierig sei Bernhard gewesen, und „ein guter Horcher“.

Jäger stritten

Damals, Anfang der 1970er-Jahre, sei am Jägerstammtisch heftig gestritten worden. Die Jungen hätten sich gegen die Altbauern aufgelehnt und eine Neuordnung der Jagd gefordert. Eine dörfliche Revolution. „Die Diskussionen und Fachausdrücke haben ihn interessiert“, erzählt der Wirt. Bernhard habe damals recherchiert, das sei ihm erst später, nach der Uraufführung der „Jagdgesellschaft“, klar geworden.

Im Arbeiterheim erschossen

Vor dem Gasthaus Plötzeneder verläuft die Bahnlinie zwischen Attnang-Puchheim und Ried im Innkreis. Unweit von hier durchquert der Zug den Hausruck im Tunnel. Dort hinten, in Holzleithen, befindet sich das ehemalige Arbeiterheim, auf dessen Saalbühne ein dunkles Kapitel jüngerer österreichischer Geschichte aufgeführt wurde. Im Bürgerkrieg 1934 wurden hier vier Schutzbündler standrechtlich erschossen. Das Haus war auch einmal eine Gaststätte, fristet heute ein verlassenes Dasein. Aber das ist eine andere Geschichte.

In Gummistiefeln

Das Bahnwirtshaus in Bergern war für Bernhard quasi ein Heimspiel, hierher musste er nur einen Hügel überqueren. Er sei zu Fuß gekommen, erzählt der Wirt, „in Gummistiefeln“. Oft sei er von Grete Hufnagl begleitet worden, die zu ihm eine lange und letztlich tragische Beziehung pflegte. Wenn in der Gaststube nichts los war, seien die beiden auf die Kegelbahn gegangen. Gegessen habe Bernhard, was die Küche anzubieten hatte, erinnert sich Plötzeneder.

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