„Sport im Herzen, nicht nur auf den Lippen“

Auf der Suche nach einem neuen Stadion für die Nationalmannschaft: Präsident Leo Windtner und Franco Foda
Neben einem Stadion braucht der ÖFB ein neues Trainingscenter und ein Headquarter. Windtners Wünsche an die neue Bundesregierung.

6:2 plus 4:0 plus 1:0 ergibt 11:2 – eindrucksvoll, mit drei Siegen, sind die österreichischen Klubs in das internationale Geschäft gestartet. Die Bullen aus Salzburg schossen in der Champions League den belgischen Meister KRC Genk aus dem Stadion; der LASK besiegte in der Europa League Rosenborg Trondheim aus Norwegen knapp, aber verdient; der Wolfsberger AC lieferte mit dem furiosen Auftritt bei Borussia Mönchengladbach überhaupt die Sensation schlechthin.

Nachhaltige Erfolge

„Ich glaube, es waren alle überrascht von der Art und Weise, wie diese Erfolge eingefahren wurden“, sagt ÖFB-Präsident Leo Windtner im KURIER-Gespräch: „Mit Respekt vor großen Namen, aber nicht kleinmütig, mit voller Entschlossenheit und auch mit perfekter taktischer Einstellung.“ Windtner ortet geradezu einen Paradigmenwechsel: „Alle drei Klubs sind aufgetreten, wie sich der österreichische Fußball schon lange nicht mehr auf der europäischen Bühne präsentiert hat.“ Und vor allem: „Diese Erfolge sind nicht Ergebnis von Zufällen, sondern einer strukturierten, nachhaltigen Entwicklungsarbeit, gerade bei diesen drei Klubs.“

Kein Selbstläufer

Klarerweise sei nicht davon auszugehen, „dass das jetzt ein Selbstläufer wird“, warnt Windtner vor überzogener Euphorie: „Es warten bereits die nächsten Kaliber.“ Freilich sei mit der ersten Runde ein Fundament gelegt, auf dem aufgebaut werden könne. Und selbstverständlich profitiere von Kluberfolgen auch die Nationalmannschaft. Wiewohl das Team nach dem 2:4 gegen Israel zuletzt „eine komplett neue Einstellung gezeigt und damit die Fans zurückgeholt hat“.

Oktober entscheidend

Die nächsten zwei Spiele im Oktober würden entscheidend sein, sagt Windtner: „Mit der gleichen Fokussierung können wir hier schon die Türe zur Euro 2020 weit aufmachen.“ Grundsätzlich sei Österreichs Fußball auf einem guten Weg, ist Windtner überzeugt. Es komme auch nicht von ungefähr, dass Spieler in der deutschen Bundesliga regelmäßig top sind. Nicht zu vergessen die Trainer: Oliver Glasner (Wolfsburg), Adi Hütter (Frankfurt) oder Ralph Hasenhüttl (Southampton) seien Beweis dafür, dass in der Trainerausbildung gute Arbeit geleistet wird, die auch international Anerkennung findet. „Gerade als kleinere Nation müssen wir aber permanent nachjustieren.“

Frauenfußball

Konkret nennt er den Frauenfußball, dem es noch an Breite mangle. Und dann ist da vor allem das leidige Thema Nationalstadion. Der ÖFB-Präsident schwärmt von der Arena in Warschau, wo Österreichs Team zuletzt gegen Polen spielte: „Die haben die Chance der Euro 2012 wesentlich effizienter genutzt als wir in Österreich.“ Hier wurde anlässlich der Euro 2008 in Klagenfurt ein neues Stadion gebaut, das meistens leer steht.

Kunstprojekt im Stadion

Weil dort – besondere Ironie – zurzeit im Rahmen eines Kunstprojekts Bäume gepflanzt sind, muss der Wolfsberger AC mit den internationalen Spielen nach Graz ausweichen. Windtner nennt das „ein wirklich schweres Foul am Fußball“. „Wir sind in intensiven Gesprächen mit Niederösterreich und mit dem Burgenland, um quasi im Umfeld von Wien einen geeigneten Standort zu finden.“ Ob ein Nationalstadion nicht in der Hauptstadt stehen sollte? Windtner: „Das kann man durchaus so sehen. Wien war auch unsere Priorität. Nachdem aber die Stadt klar artikuliert hat, für einen Neubau nicht bereitzustehen, muss man schauen, wo man bauen kann.“

Wer wird Sportminister?

Neben einem neuen Stadion brauche es auch ein Trainingscenter und ein ÖFB-Headquarter, sagt Windtner. Laut Analyse des Europäischen Fußballverbandes (UEFA) liege Österreich punkto Infrastruktur unter den letzten 15 von 55 Nationen. „Es wird für uns sehr wichtig sein, wer Sportminister wird“, sagt Windtner in Richtung nächste Bundesregierung: „Und inwieweit er den Sport nicht nur auf den Lippen, sondern auch im Herzen trägt. Es geht nicht nur um uns, sondern um den Sport schlechthin. Auch in anderen Bereichen – Schwimmen, Leichtathletik, Volleyball etwa – haben wir gewaltige Defizite.“

Die Rückkehr des LASK auf die Linzer Gugl hält Windtner für die richtige Entscheidung, „vor allem auch unter dem Aspekt, dass das der historische und emotionale Kristallisationspunkt ist“.

Autor: Gerhard Marschall

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