Man wird doch wohl noch träumen dürfen

Seppy mit dem verliebten Maikäfer
Wenn sich der Maikäfer in den Junikäfer verliebt, kann es zu Problemen kommen, merkt der Seppy

von Christa Koinig

An einem der letzten Mai-Tage habe ich einen Maikäfer getroffen. Er saß auf einem Stein und hatte einen eigenartigen Gesichtsausdruck, seine Augen waren verdreht. Er hat mich nicht gleich bemerkt. Erst als ich an seine großen Fühler angestoßen bin, hat er gerufen, „Amphi, bist du das?“, und ich „hä? Ich bin der Seppy“. Da hat er mich dann doch mit seinen schielenden Augen angesehen und ich habe gemerkt, dass er enttäuscht war.

Natürlich habe ich ihn gefragt, wer Amphi ist und was er in den allerletzten Maitagen hier noch zu suchen hat. Er hat mir erzählt, dass Amphi ein hübsches Junikäfermädchen ist, von dem er sein ganzes Leben lang geträumt hat, schon als kleines Ei in der Erde, und seit ein paar Wochen als dicker Maikäfer. Jetzt war mir klar, warum er schielte: Er war verliebt. Wie sollte ich ihm erklären, dass Mai- und Junikäfer nicht zusammen passen? Er hat mir leidgetan, denn seine Zeit würde bald vorbei sein, und die Junikäfer schlüpfen gerade erst aus ihren Larven. Einem verliebten Maikäfer die verdrehten Augen zu öffnen und ihm die Wahrheit zu sagen, ist nicht leicht.

Ein Märchen

So hab’ ich’s also anders versucht. Ich habe ihm das Märchen von der Sonne und vom Mond erzählt. Die Sonne hatte sich in den Mond verliebt und wollte ihn heiraten. Der Mond, ein schlaues Kerlchen, wollte die Sonne aber nicht. Er sagte, ich werde dich heiraten, wenn du mich einholst. Da lief ihm die Sonne erfreut und voller Hoffnung hinterher. Aber als der Mond im Osten ankam, war die Sonne noch im Westen, und als der Mond dort ankam, war die Sonne wiederum im Osten. Es gab natürlich keine Sonne-Mond-Hochzeit. Und genau deswegen kann es auch niemals eine Mai-Juni-Käfer-Hochzeit geben. Der Maikäfer brummig: „Man wird doch wohl noch träumen dürfen.“

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