Polcanova ist die neue Königin auf dem Froschberg

Polcanova gewann bei der EM in München zwei Gold- und eine Bronze-Medaille
Österreichs Hochburg im Tischtennis der Frauen steht auf dem Linzer Froschberg. Dort residiert neuerdings Europas Beste: Sofia Polcanova. Bei der EM in München hat sie gleich drei Medaillen gewonnen, Gold im Einzel und zusammen mit der Rumänin Bernadett Szöcs (27) im Doppel, Bronze im Mixed mit dem Österreicher Robert Gardos (43).
Operationen
„Jetzt bin ich einfach stolz und glücklich“, sagt Polcanova angesichts ihres Karrierehöhepunkts. „Ich habe sehr viel wegstecken müssen.“ Die vergangenen zwei Jahre waren geprägt von Operationen, erst Hüfte, dann Knie. Jetzt ist sie wieder topfit. Immerhin galt es in München, in einer Woche 15 Spiele zu absolvieren. Polcanova ist 27 und stammt aus Moldaus Hauptstadt Chișinău. Mit gerade einmal 14 Jahren kam sie nach Linz, wo sich größere sportliche Chancen eröffneten. Vater Mihail, ihr erster Trainer, hatte sie ziehen lassen, unterstützte sie aber weiterhin. Mehrmals schon sei sie in einem Finale gestanden, jetzt habe es endlich zu Gold gereicht, sagt Polcanova: „Das war unser großer Traum.“
Der Vater starb an Krebs
Der Vater starb mit 63 an Krebs, war bis zu seinem Tod von der Tochter gepflegt worden. „Jedes Mal bei großen Spielen denke ich an ihn.“ Wo sieht sie ihre Stärken? „Nach dieser EM denke ich, dass ich mental stark bin.“ Ihre Größe von 1,80 und ihre große Reichweite seien jedenfalls ein Plus. „Ich sehe die Platte gut und antizipiere den Ball gut“, sagt sie über sich selbst. „Vielleicht weiß ich ein bisschen schneller, wo der Ball hinkommt.“
Mentale Stärke
Polcanova habe ein „sehr gutes Ballgefühl“, bestätigt Liu Jia (40). Ebenfalls Linkshänderin, hat sie sich 2005 zur Europameisterin gekrönt, war viele Jahre die Herrscherin auf dem Froschberg. Ihrer Nachfolgerin attestiert sie Nervenstärke: „Sie ist eine stabile Spielerin. Man bringt sie nicht so leicht aus dem Konzept.“
Der Titel sei für ihn nicht überraschend gekommen, sagt Trainer Zsolt Harczi (55): „Sie ist ein großes Talent, sehr fleißig und möchte alles hundertprozentig machen.“ Der ehemalige ungarische Spitzenspieler ist am Erfolg doppelt beteiligt, als Trainer im Verein Linz AG Froschberg und seit Jänner auch im Nationalteam. Polcanova könne noch viel erreichen, „wir haben zusammen noch große Ziele“. Bei der Einzel-WM 2023 in Durban/Südafrika und bei den Olympischen Spiele 2024 in Paris sei jeweils eine Medaille möglich.
Die Mutter ist in Moldau
Seit zwei Jahren ist Polcanova mit Peter Reisinger (36) verheiratet. Den Mühlviertler lernte sie in der Abendschule kennen, als sie die Handelsakademie besuchte. Die Verbindung zu Moldau ist nie abgerissen, regelmäßig besucht sie ihre Mutter Iulia (48). Vor eineinhalb Jahren hat Polcanova eine Spendenaktion gestartet, um in Chișinău den Bau einer Tischtennishalle anzuschieben. „Es läuft gut, ich engagiere mich noch immer.“
Was sich nach einem solchen Titelgewinn samt Aufstieg auf Platz zehn der Weltrangliste verändere? „Nicht viel“, sagt Liu Jia aus eigener Erfahrung. Nach all dem Rummel gelte es, wieder hart zu trainieren. „Sportlich beginnst du immer wieder bei null, das ist das Spannende.“ Einen Ratschlag für die Europameisterin hat die Vorgängerin noch: „Sie soll, wie ich damals, schnell erkennen, wer die wahren Freunde sind und wer sich an ihrem Ruhm nur bereichern will.“
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