Nur Warten trocknet die Seele aus

Seppy mit der Wegwarte
Der Herzallerliebste bleibt aus. Was tun? Von Christa Koinig.

Ich bringe unserer Omama oft einen Strauß Wiesenblumen mit. Diesmal hatte ich es eilig, daher habe ich nur ein paar Blumen vom Wegesrand mitgenommen. Sie waren wegen ihrer harten Stängel schwer zu pflücken, aber ihre Blüten sahen wie leuchtend blaue Sterne aus. Omama hat sich sehr gefreut und gesagt, dass das eine Wegwarte ist. Sie soll heilende Kräfte haben, und aus ihren Wurzeln kann man Kaffee machen. Außerdem ist sie verwandt mit meinem Lieblingssalat, dem Radicchio. Sie hat noch ganz viele andere Namen: Zichorie, Wegeleuchte, Kaffeekraut, Blaue Distel, Faule Gretl, Rattenwurz, Sonnenwedel, Sonnenbraut etc. „Warum blüht diese Blume eigentlich am Straßen- und am Wegesrand?“, wollte ich wissen. „Die Pflanze mag trockene, lehmige Erde“, hat mir Omama erklärt, und dass es viele Märchen von der Wegwarte gibt.

Er kommt nicht mehr. Warum?

Eines davon hat sie mir erzählt. „Es wartete ein junges Mägdelein, am Tag und in die dunkle Nacht hinein, auf ihren Herzallerliebsten am Wege. Aber er ist nicht zu ihr zurückgekommen.“ Warum? „Weiß ich doch nicht“, meinte Omama ziemlich forsch, „vielleicht hat der Herzliebste nicht mehr zurückgefunden. Oder er hat was Besseres entdeckt und sie ganz einfach vergessen, soll doch jeder glauben, was er will.“ „Und wie ist die Geschichte weitergegangen?“ „Ach so, ja das Mädchen. Es hat gewartet und gewartet, viele Sommer lang, und mit der Zeit sind ihre Beine zu Wurzeln geworden. So steht die Wegwarte nun am Wegesrand und wartet immer noch.“

Nur nicht warten

Das ist aber ein trauriges Märchen, finde ich. Aber Omama hat gemeint, „nein, es ist gar nicht traurig. Es sagt dir nur, dass du nicht auf etwas warten sollst, das vielleicht niemals eintrifft. Da vertrocknet bloß deine Seele. Und glaub’ mir Seppy, nicht jeder, der umsonst auf etwas wartet, wird eine schöne Blume.“

Autorin Christa Koinig ist künstlerische Leiterin des Linzer Puppentheaters

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