„Mander-Beten“ als Parship

Die Wallfahrtskirche St. Sebald am heiligen Stein
Gaflenz. Viele Wunder sollen auf dem Heiligenstein bei Gaflenz bereits geschehen sein

Was taten Frauen im Mittelalter, wenn sie einen guten Mann suchten? Eine Wallfahrt auf den Heiligenstein bei Gaflenz half da immer. Grund genug, das idyllischen Örtchen im äußersten Südosten von Oberösterreich zu besuchen.

Eine Begehung des „heiligen Steins“ bringt Licht in den legendenumwobenen Hügel. Der Amtsleiter von Gaflenz Heinz Glaser weist den richtigen Weg. Direkt beim Gemeindeamt geht es in südlicher Richtung. Wir wählen die Markierung „Kreuzweg E06“ für den einstündigen Aufstieg. Schon von weitem ist die Kirche Sankt Sebald sichtbar. Durch lichten Buchenwald geht es bergauf. Die Schneerosen haben ihre Blüten in feste Samenkapseln umgewandelt. Wolfsmilch und Waldmeister bringen Farbe ins kräftige Frühsommergrün der Bäume. Entlang mehrerer Kreuzwegstationen geht es nach oben auf die Kuppe dieses Kultplatzes. Eine betagte Buche scheint besonders angetan von der Energie dieses Ortes. Sie hat sich kreisförmig eingerollt, um dann wieder nach oben weiterzuwachsen.

Sebaldusheiligtum

Schließlich wird die Wallfahrtskirche erreicht. Die heutige spätgotische Kirche ist ein kunstgeschichtliches Juwel und das einzige Sebaldusheiligtum in Österreich. Gleich dahinter steht der namensgebende „heilige Stein“. Ein gewaltiger Riss hat ihn zweigeteilt. Wer sich auf der gastlichen Bank niederlässt, spürt förmlich die Energie dieses Kraftplatzes. Engagierte Bürger von Gaflenz haben neben der Bank auch ein Hütterl mit gekühlten Getränken errichtet. Mit einem köstlichen Mostspritzer auf dem Tisch vor sich richtet sich der Blick in die Ferne auf die Hügel ^um den Großen Almkogel. Von Mai bis Oktober ist auch die Jausenstation im Mesnerhäusl nahe der Kirche geöffnet.

Der Blick auf Gaflenz

Der Blick auf Gaflenz

Reger Handel

Seit urdenklichen Zeiten bereits ein Kultplatz, wurde der Ort christianisiert und schließlich hier Sebaldus beheimatet. Der Stadtheilige von Nürnberg soll ein Adeliger aus Franken gewesen sein. Eine Legende macht ihn auch zu einem dänischen Prinzen, der gleich nach der Hochzeit mit einer französischen Prinzessin diese verlassen und nach Rom gepilgert war. Fünfzehn Jahre soll er dann als Einsiedler auf diesem Felsen verbracht und in dieser Zeit viele Wunder bewirkt haben. Wahrscheinlich geht dieser Kontakt auf die engen Handelsbeziehungen zwischen Nürnberger Kaufleuten mit den Hammerherren von Gaflenz zurück. So entwickelte sich ein reger Wallfahrtsbrauch, der seit über 600 Jahren anhält. Besonders ledige Frauen versuchten im „Mander-Beten“ mit Hilfe des Heiligen Sebald einen Mann zu finden. Parship war damals noch nicht erfunden. Dass sich dieser Brauch so lange Zeit behauptet hat, deutet auf eine stattliche Erfolgsquote hin. In der bäuerlichen Bevölkerung wird Sebaldus zudem als Vieh- und Wetterpatron verehrt.

Steinfigur

Geradezu mystisch ist die Stimmung in der etwas unterhalb gelegenen Sebaldgrotte. Um die unter einer Felsnische liegende steinerne Figur des Heiligen rankt sich ein alter Brauch. Junge Männer versuchten einmal, die schwere Steinskulptur zu heben. Nur wer ohne Todsünde war, war dazu imstande. Der Brauch war so beliebt, dass die Figur schließlich einzementiert werden musste. Alle Männer müssen wohl recht unschuldig gewesen sein.

Für den Rückweg wählen wir den „Pfarrweg E07“. Den Serpentinen folgend fällt immer wieder der Blick auf das im Tal liegende Örtchen. Dass neue Kraft auch eine Verpflichtung ist, wusste schon Ludwig Feuerbach: „Zu einem vollkommenen Menschen gehört die Kraft des Denkens, die Kraft des Willens, vor allem aber die Kraft des Herzens.“

Josef Leitner ist Universitätslektor und besucht mit seinem Reisemobil interessante Plätze der Natur und Kultur.

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