Mädchen* sein – aber wie?
Dorothee Golz: aktuelles Frauenbild mit Anspielung auf ein tradiertes aus der Kunstgeschichte
Die unterschiedlichen Rollenbilder und Stereotype entstehen gleich nach der Geburt und entwickeln sich in der Familie kontinuierlich weiter, wie eine Studie zeigt. Wenn zum Beispiel ein Mädchen weint, nimmt man an, dass es Angst hat, sich fürchtet.
Weint ein Bub, so will er sich durchsetzen. Mit diesen und ähnlichen Themen beschäftigt sich eine Ausstellung mit dem Titel „Mädchen* sein!? Vom Tafelbild zu Social Media“, die am 30. Oktober im Linzer Kunstmuseum Lentos eröffnet wird. Zur Erklärung: Der Genderstern beim Wort Mädchen* soll auf den Aspekt queerer Mädchen verweisen. In der Ausstellung mit etwa 160 künstlerischen Positionen vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart wird ein gesellschaftlicher Diskurs zur Frage „Was bedeutet es heutzutage, ein Mädchen* zu sein?“ angestoßen.
Enormer Druck
Dazu Kuratorin Brigitte Reutner-Doneus: „Folgen wir den konventionellen Codierungen, sollen Mädchen* stark, selbstbewusst, schlau, schlank, sexy, sexuell aufgeklärt, gut gebildet, familien- und berufsorientiert, heterosexuell, weiblich und anschmiegsam, aber auch cool und selbstständig sein. Sie können alles bewältigen und kennen keine Probleme, keinen Schmerz – all das in Summe, nicht wahlweise. Dieses ambitionierte Mädchenbild spiegelt den enormen Druck wider, der von außen auf weibliche Kinder und Jugendliche einwirkt.“
Jutta Strohmaier mit ihrer Serie Just:Beauty. Der Drang vieler Frauen, Vorbildern zu entsprechen.
Bereits in der Antike findet man mit Ausnahme von Medea keine großen Heldinnen. Ariadne und Antigone stehen aufopferungsvoll an der Seite ihrer Männer. In den Märchen sind wir mit ähnlichen Mustern konfrontiert.
Duldsam und passiv
Es muss ein Jäger, ein Ritter oder ein Prinz kommen, der die junge Frau aus ihrem Schicksal erlöst und im besten Fall noch heiratet. In Heiligenlegenden werden sowohl Männer wie Frauen gemartert, geköpft oder gerädert, doch nur die Frauen werden duldsam und passiv dargestellt.
Ceija Stojka wurde am Arm ihre KZ-Nummer eintätowiert.
Neun wissenschaftliche Arbeiten in einem Begleitkatalog und Gemälde, Videos, Fotografien und Skulpturen in der Ausstellung zeigen die soziokulturelle und kunstgeschichtliche Entwicklung bis zum heutigen Mädchenbild.
Zweifel, Rebellion
Damit verbunden sind häufig Selbstzweifel, Rebellion und die Suche nach der eigenen Identität. Zur Selbstoptimierung einerseits von Aussehen (Frisur und Styling), andererseits von der eigenen Persönlichkeit (gesellschaftliches Engagement und Freizeitgestaltung) werden zum Austausch neben analogen Freundinnengruppen Social-Media-Plattformen aufgesucht. Diversität beschreibt die Vielfalt von Menschen und ihre Unterschiede in Bezug auf Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion und sexuelle Orientierung.
Laila Bachtiar reitet ohne Scheu auf einem Krokodil.
Jutta Strohmaier: In ihrer Serie Just:Beauty setzt sie sich mit dem Drang vieler junger Frauen, Vorbildern zu entsprechen, auseinander. Mit einem Diaprojektor und einem Spiegel projiziert sie Gesichter bekannter Models auf ihr eigenes ungeschminktes Gesicht und hält diese Überblendung fotografisch fest.
Ceija Stojka: Selbstporträt mit tätowierter KZ-Nummer. Als Lovara-Roma wurde die damals zehnjährige Künstlerin in drei verschiedenen Konzentrationslagern festgehalten. Wie durch ein Wunder überlebte sie den Krieg.
Fernando Moleres hat eine Ziegelfabrik in Indien fotografiert. Seien Bilder drehen sich um Ausbeutung.
Dorothee Golz: Aktuelles Frauenbild mit Anspielung auf ein tradiertes aus der Kunstgeschichte. Mit diesem Wechselspiel weist die Künstlerin auf überkommene Strukturen hin.
Fernando Moleres: Ziegelfabrik, Indien. Moleres fotografiert seit mehr als dreißig Jahren zu Themen in Zusammenhang mit den Menschenrechten. Seine Fotoserien kreisen um die Ausbeutung im Zuge von Kinderarbeit und um Minderjährige im Gefängnis.
Laila Bachtiar arbeitet im Haus der Künstler in Gugging. Auf ein Liniengeflecht zeichnet sie groß Figuren von Menschen und Tieren, die sie mit kräftigen Farben ausfüllt. Die vorliegende Zeichnung zeigt die Künstlerin, wie sie ohne Scheu vor den spitzen Stacheln auf einem bunten Krokodil mit großen, bewimperten Augen sitzt.
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