Titel, Triumphe, Tricks & Tore: So sportlich war Oberösterreich
Oberösterreich-KURIER-Sportreporter Gerhard Marschall zieht Bilanz über das abgelaufene Sportjahr, in dem die Oberösterreich schon zu Jahresbeginn bei Olympia nicht wie erhofft abschneiden konnten. Dafür ging ein Europacup-Titel im Fußball mit Oliver Glasner und Eintracht Frankfurt quasi nach Oberösterreich. Hier sind die Highlight des Jahrs.
JÄNNER
Die Vorschau auf die Olympischen Winterspiele in Peking fällt optimistisch aus, die Erwartungen erfüllen sich allerdings nicht.
Vincent Kriechmayr (30) aus Gramastetten, Top-Anwärter auf eine Medaille, wird im Super-G Fünfter und in der Abfahrt Achter Daniel Hemetsberger (30) aus Nußdorf gar nur 21. Die Skicrosser Andrea Limbacher (32) aus St. Wolfgang und Johannes Rohrweck (31) aus Großraming verpassen die Top-Ten knapp. Für Clemens Millauer (27) aus Kirchorf sind die Spiele überhaupt vorzeitig vorbei. Er erleidet im Training einen Knöchelbruch, kann sich immerhin aber über die zweite Goldene von Freundin Anna Gasser (30) nach jener von 2018 freuen.
FEBRUAR
Der 24jährige Oberösterreicher Karl Mühllehner wird zum „Weltfaustballer“ gekürt.
Er spielt für die Tigers Vöcklabruck, die 2021 erstmals den Champions Cup gewonnen haben. Die Europameisterschaft für Vereine wird unter den drei stärksten Faustballländern – Österreich, Deutschland, Schweiz – ausgespielt. Mühllehner sei in den vergangenen beiden Jahren die dominante Erscheinung im Team gewesen, lobt ihn Sektionsleiter Stefan Huemer. Er vereine Dynamik und Power, schlage die Bälle überaus präzise und hart mit bis zu 140 km/h über das Netz.
Die Tigers stellen auch die halbe Nationalmannschaft, auf die im kommenden Juli die Weltmeisterschaft im Feldfaustball in Mannheim/Deutschland wartet.
MÄRZ
Verkehrte oberösterreichische Fußballwelt. Die SV Ried startet von Platz sechs in die Frühjahrssaison und möchte sich in der oberen Tabellenhälfte halten, also in der finalen Meisterrunde mitmischen.
Das will auch der LASK, der jedoch zu diesem Zeitpunkt unter dem ominösen Strich rangiert. Beide Vorhaben scheitern, die Linzer wie die Innviertler müssen sich mit den Underdogs der Liga herumschlagen. Der LASK schließt auf Platz acht ab. Ried steht zwar im Finale des ÖFB-Cups (0:3 gegen Salzburg), kommt jedoch dem Abstieg sogar noch bedrohlich nahe und kann sich erst im allerletzten Spiel retten.
APRIL
Die Baseballer von Athletics Attnang haben sich verstärkt, möchten nach fünf Jahren endlich wieder den Titel einfahren. Baseball wird im Hausruckviertel seit den 1990ern gespielt.
Aus ursprünglich vier Klubs wird einer, der seit 2004 in der Bundesliga spielt. 2008, 2010, 2016 und 2017 werden die Attnanger Meister. Die Mission „Nummer fünf“ misslingt jedoch, schon im Viertelfinale ist gegen die Vienna Metrostars Schluss. Neuer Anlauf 2023 unter neuer sportlicher Leitung, Chefcoach Andreas Lastinger (30) steht nur noch als Spieler zur Verfügung.
MAI
Besuch bei Gernot Trauner in den Niederlanden. Der Mann aus Kematen am Innbach (Bez. Grieskirchen) spielt seit 2021 bei Feyenoord Rotterdam. Er sei freundlich aufgenommen worden, habe sofort einen zentralen Platz in der Defensive zugeteilt bekommen, erzählt er.
Auch die Familie fühle sich wohl. „Feyenoord und Gernot passen perfekt zusammen“, ist Sportdirektor Frank Arnesen mit dem Österreicher rundum zufrieden. Mit 30 steht Trauner auf der großen internationalen Fußballbühne. Feyenoord schafft es in das Finale der Conference League, muss sich jedoch AS Roma mit 0:1 geschlagen geben. Für Trauner selbst endet das Jahr schmerzhaft. Er zieht sich im Training eine Knieverletzung zu, muss operiert werden und fällt für Monate aus.
JUNI
„Perfektionist ohne Stillstand“ ist der Artikel über Oliver Glasner (46) übertitelt. Der Mann aus Riedau (Bez. Schärding) feiert den bisher größten Erfolg in seiner Trainerkarriere.
Eintracht Frankfurt gewinnt unter seiner Regie das Finale der Europa League gegen die Rangers aus Glasgow Rangers im Elfmeterschießen glücklich, aber verdient. Damit wird Glasner endgültig zur heißen Aktie auf dem Trainermarkt. „Bei ihm gibt es nie Stillstand“, sagt Co-Trainer Michael Angerschmid (48) über den Chef. „Er kann auch stur sein“, fügt Roland Brunmayr (47), Dritter Oberösterreicher im Frankfurter Erfolgs-Trio, hinzu.
JULI
Josef „Pepi“ Bichl aus Ottnang (Bez. Vöcklabruck) ist 76 und von bewundernswerter Agilität. „Ich muss jeden Tag aufs Rad“, sagt er. Im Jahr kommt er auf rund 14.000 Kilometer, außerdem sammelt der rüstige Senior Siege und Titel. Vor kurzem hat er in der Klasse 75+ Europas härtesten Radmarathon gewonnen: Über 556 Kilometer geht es von Trondheim in Norwegens Hauptstadt Oslo, dabei sind rund 4.000 Höhenmeter zu überwinden. Bichl braucht 22 Stunden und 46 Minuten, hängt den Zweiten um sieben Stunden ab.
In eindrucksvoller Manier verteidigt der Hausruckviertler im September im italienischen Trentino seinen im Vorjahr errungenen Titel im Straßenrennen über 88 Kilometer. Eineinhalbmal gilt es den berüchtigten Monte Bondone, bekannt vom Giro d’Italia, zu bezwingen. Bichl gewinnt mit fast sieben Minuten Vorsprung.
AUGUST
Europas beste Tischtennisspielerin heißt Sofia Polcanova, ist 27 und kommt aus Linz. Genauer gesagt kommt sie aus Moldaus Hauptstadt Chișinău. Mit 14 übersiedelt sie nach Oberösterreich, wo sich ihr größere sportliche Chancen eröffnen.
Deswegen lässt sie ihr Vater Mihail und erster Trainer ziehen. Er stirbt mit 63, wird bis zuletzt von der Tochter liebevoll gepflegt. „Jedes Mal bei großen Spielen denke ich an ihn“, sagt Polcanova. Wie jetzt in München, wo sie bei der Europameisterschaft drei Medaillen gewinnt: Gold im Einzel und mit der Rumänin Bernadett Szöcs (27) im Doppel, Bronze im Mixed mit dem Österreicher Robert Gardos (43).
SEPTEMBER
Nicola Kuhn vom WSV Linz-Donau ist eine wahre Artistin auf dem Wasser.
Bei der Europameisterschaft Recetto Im norditalienischen Piemont gewinnt die 23-Jährige im Team Gold. Dem österreichischen Sextett gehören ihr 18jähriger Bruder Dominik und Alexander Gschiel (19) aus Steyregg vom MYCC Linz an. „Nici“ sichert sich obendrein im Figurenlauf Bronze. Der ist ihre Spezialdisziplin. Dabei gilt es in zwei Läufen à 20 Sekunden möglichst viele, möglichst schwierige Figuren – Salti oder Sprünge mit Drehungen – zu zeigen. Der Wasserskisport ist bei den Kuhns Familiensache, wird schon von Opa und Oma ausgeübt. Mama Claudia, 38fache Staats- und dreifache Europameisterin, ist Betreuerin der Tochter.
OKTOBER
Die Steinbach Black Wings starten überzeugend in die neue Saison und lassen die stürmischen Zeiten vergessen. Nach zwei wenig ruhmreichen Saisonen halten sich die Linzer in der ICE Hockey League in der oberen Tabellenhälfte mit guten Chancen, das Meister-Playoff zu erreichen.
Der Turnaround ist mit dem Wechsel an der Spitze verbunden. Peter Nader (52) hat Peter Freunschlag (53) als Präsident abgelöst, den Klub neu ausgerichtet und aus der Dauerkrise geführt. Die Fans, die sich zwischenzeitlich abgewendet haben, kehren zurück und machen die Donauparkhalle wieder zur Festung.
NOVEMBER
Korruption, Sklavenarbeit, Menschenrechtsverletzungen – viel Schatten liegt über der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar, die obendrein wegen der Hitze dort im Spätherbst ausgetragen wird. Der ehemalige ÖFB-Präsident Leo Windtner (72) schlägt durchaus kritische Töne an.
Weil im Fußball das Geld eine immer dominantere Rolle spiele, brauche es dringend einen Kurswechsel, eine Rückbesinnung auf das Eigentliche – den Sport. Immer noch mehr Spiele führten zwangsläufig zu Überbelastung und Übersättigung, warnt der Ex-Spitzenfunktionär: „Wenn es so weiterläuft, wird es im Spitzenfußball zum Supergau kommen.“ Auch Windtners WM-Tipp trifft voll ins Schwarze: Argentinien.
DEZEMBER
Und noch einmal WM: Die Niederländer packen im Spiel gegen Argentinien einen genialen Freistoßtrick aus, der zum 2:2-Ausgleich und zur Verlängerung führt. Torschütze Wout Weghorst hat das Kunststück zuvor schon einmal vollbracht, 2020 in Diensten des VfL Wolfsburg.
Die Idee dazu stammt von Co-Trainer Michael Angerschmid. Und so ist Österreich nach dem Scheitern der Nationalmannschaft wenigstens indirekt auch ein kleinwenig weltmeisterlich.
Abgeschlossen wird das Sportjahr in Oberösterreich ebenso traditionell wie spektakulär mit diversen Silvesterläufen, allen voran jenem in Peuerbach (Bez. Grieskirchen). Die Veranstaltung findet heuer bereits zum 40. Mal statt, ihr besonderer Reiz liegt in der Kombination aus Breiten- und Spitzensport.
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