Lieber übervorsichtig als untervorsichtig sein

Silke Kranz in ungewohntem Aufzug: mit Maske und Schutzbekleidung
Man kann gegen das Virus nicht viel anderes tun als vorsichtig zu sein und sich gegenseitig zu schützen. Von Silke Kranz.

Ich versuche, meinen Mitmenschen und insbesondere meinen Patienten gegenüber immer Verständnis aufzubringen. So verstehe ich, dass mich Menschen derzeit beinahe täglich wegen ihrer Beschwerden anrufen, da liegt wohl irgendwo eine tiefere Sorge begraben. Ich versuche auch zu verstehen, wenn Menschen im Homeoffice etwas langweilig wird und sie jetzt die Zeit hätten, sich lästige Wehwehchen einmal ordentlich begutachten zu lassen.

Wer ist vernünftig?

Ich bringe jedoch keinen Funken Verständnis dafür auf, wenn Menschen herumposaunen, dass diejenigen, die sich nicht an die Einschränkungen halten, die „verbliebenen Vernunftbegabten“ seien. Und diejenigen, die die Regeln befolgen, „duckmäuserische Lemminge“. Ich bin mit ganzem Herzen Sportlerin, aber inzwischen habe ich sämtliche Social-Media-Sport-Gruppen verlassen, weil ich es nicht ertragen kann, wenn jemand schreibt, er lasse sich nichts verbieten, er sei diese Skitour/diesen Klettersteig immer gegangen und werde das auch weiterhin tun.

Wer ist dumm?

Ich halte mich für einen kritischen Menschen und versuche immer, mir meine eigene Meinung zu bilden. Ich verwehre mich vehement dagegen, dass Personen, die sich und andere bestmöglich schützen möchten, als dumm und nicht reflektiert bezeichnet werden. Nennen Sie mich naiv, aber ich halte es für unwahrscheinlich, dass unsere Regierung nur auf das Coronavirus gewartet hat, um uns unsere persönlichen Freiheiten zu entziehen und uns einer Gehirnwäsche zu unterziehen.

Keine Verschwörung

Ich glaube auch nicht, dass die Politik darauf abgezielt hat, die Arbeitslosigkeit dramatisch zu erhöhen, Kinder vom Schulunterricht fernzuhalten und den persönlichen Kontakt innerhalb von Familien zu unterbinden. Oder Ärzte wie Marsmännchen herumlaufen zu lassen. Aber kranke Menschen möchten weiterhin versorgt werden, und das muss auch gewährleistet bleiben. Die Pandemie ist nun einmal da, alles was die meisten von uns beitragen können, ist: Vorsicht. Wobei die Vorsicht auf alle Fälle schlecht dasteht – kommt es schlimmer als befürchtet, waren alle Vorkehrungen umsonst. Kommt es nicht so schlimm, waren sämtliche Maßnahmen übertrieben. Aber wie sage ich oft zu meinen Patienten, auch in Zeiten vor Corona: Ich bin lieber über- als untervorsichtig.

Und so kann ich Sie nur im Namen aller an der Front bitten: Unterstützen wir uns gegenseitig innerhalb unserer Möglichkeiten!

Silke Kranz ist diplomierte Ernährungs- und Sportmedizinerin und Ärztin für Allgemeinmedizin in Bad Zell

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