„Lange Tradition der Versäumnisse“

Der Linzer Vizebürgermeister Markus Hein blickt von Rathaus aus auf die Nibelungenbrücke
Der Linzer Vizebürgermeister Markus Hein ist derzeit der Hauptagitator der Stadtpolitik. Das Verkehrsthema berührt auch die 100.000 Einpendler

Markus Hein (48) ist Stadtparteiobmann der FPÖ und Vizebürgermeister der Landeshauptstadt. Er ist unter anderem für Verkehrsfragen zuständig.

KURIER: Sie wollten den Hauptplatz autofrei machen, Sie haben ein Papier zum Schuldenabbau vorgelegt, Sie geben täglich öffentliche Stellungnahmen ab, Sie feuern Breitseiten gegen die ÖVP. Wollen Sie Linzer Bürgermeister werden?

Markus Hein: Ziel eines jeden Parteiobmanns ist es, einmal Bürgermeister werden zu wollen. Nachdem es in unserer Partei Brösel gibt (auf Bundesebene, Anm.), wird es sich bei dieser Wahl noch nicht ausgehen.

Sie brauchen dafür einen Koalitionspartner. Wer kommt infrage?

Wir schließen niemanden aus. Dass Ausgrenzungspolitik einem selbst schadet, kann man sehr gut am Beispiel der SPÖ sehen. Sie hat die ÖVP stark gemacht, denn diese kann sich die Partner aussuchen.

Wir haben zum Glück eine Proporzregierung. Deshalb braucht es keine wirkliche Partnersuche. Wir haben ähnliche Positionen mit der SPÖ in der Verkehrspolitik und in der Stadtplanung, bei den Finanzen und der Migration sind sie deutlich unterschiedlich. Mit der ÖVP haben wir zur Zeit intensivere Diskussionen, sie ist aber nicht der Hauptgegner.

Die FPÖ erzielte bei der vergangenen Gemeinderatswahl 24,9 % (SPÖ 32 %, ÖVP 20,1 %, Grüne 14,8 %, Neos 4,9 %). Was ist Ihr Wahlziel?

Ich will keinen Prozentsatz nennen. Es darf in der Stadt keine wichtige Entscheidung ohne die FPÖ geben.

Sie haben den Versuch unternommen, den Linzer Hauptplatz autofrei zu halten. Sie haben das Projekt abgebrochen. War der Versuch zu früh?

Er hätte funktioniert, wenn nicht am selben Tag eine Raddemonstration auf der Nibelungenbrücke stattgefunden hätte, die den Verkehr komplett zum Erliegen gebracht hat. Damit war die Akzeptanz in der Bevölkerung dahin.

Sie haben das Projekt auf 2024 verschoben, wenn alle Donaubrücken fertig sind. Steht dann auch die Westringbrücke tatsächlich zur Verfügung?

Sie sollte zumindest teilweise für den Verkehr freigegeben werden, denn zwei Spuren werden noch für den Abtransport des Materials, das aus dem Tunnel kommt, benötigt. Zwei Spuren sollten freigegeben werden.

Wird die neue Eisenbahnbrücke wie versprochen im Herbst 2021 fertig sein? Es wird zwar fleißig gearbeitet, aber der Brückenaufbau ist sehr komplex.

Der 21. Oktober 2021 ist vertraglich zugesichert. Ich bin überzeugt, dass man den Termin wird halten können. Eher unwahrscheinlich ist, dass wir sie noch vor Schulbeginn eröffnen können, wie wir das mit der Bonusregelung angestrebt haben. Durch Corona hat sich auf der Baustelle eine Verzögerung von fünf Wochen ergeben.

Der Bau dauert beinahe sechs Jahre, wenn man vom Abriss der alten Brücke weg rechnet. Hingegen dauerte der Bau der neuen Brücke in Genua vom Einsturz bis Fertigstellung nur zwei Jahre.

Der Zeitraum ist lang. Das Problem war, dass die Planungen durch die Volksbefragung 2015 gestoppt worden sind. Nach der Wahl 2015 wurde sofort mit den Planungen begonnen. Sie gingen in einer Rekordzeit vor sich. Der Spatenstich war im Sommer 2018. Aufgrund eines Planungsfehlers in Frankreich gab es eine Verzögerung von einem Jahr.

Die Voest-Brücke hat eine ähnliche Dauer. Unsere Brücke ist Resultat eines Wettbewerbs. Sie ist ein Kunstwerk, sie ist ein hochkomplexes Bauwerk, das man weltweit kein zweites Mal finden wird. Die Autobahnbrücke in Genua ist eher sehr schlicht. Wenn man bei uns Zweckbauwerke errichten würde und nicht Kunstwerke, würden die Baustellen wahrscheinlich flotter unterwegs sein.

Ist die Brücke in der Form nicht ein Luxus, den sich Linz nicht wirklich leisten kann? Linz braucht die Brücke und hat kein Geld.

Es ist ein Luxus, den man hat sich leisten müssen. Was für Diskussionen hätte es gegeben, wenn man anstelle der Eisenbahnbrücke eine schlichte Brücke gebaut hätte! Die Linzer wären an dieser prominenten Stelle nicht mit einer einfachen Brücke zufrieden gewesen.

Die Verkehrssituation hat sich durch die Fertigstellung eines Bypasses bei der Autobahnbrücke verbessert. Was kann man noch tun, damit sich die Stausituationen weiter entschärfen?

Warten, bis die Brücken fertig sind. Zaubern kann keiner. Der Großteil des Verkehrs entsteht außerhalb der Stadtgrenzen, der nach Linz einpendelt. Die Fehler sind in der Verkehrspolitik des Großraums zu suchen. Wir sind für Umfahrungen außerhalb von Linz nicht zuständig. Wir können den öffentlichen Verkehr ausbauen und jede Minute einen Bus losschicken, und es wird sich nicht viel verbessern, weil viele, die von außerhalb der Stadt kommen, das Auto benötigen.

Durch die jahrzehntelange Zersiedelung in den ländlichen Regionen und im Linzer Großraum ist es sehr schwierig, diese Gebiete an den öffentlichen Verkehr anzubinden. Man wird neue Zentren schaffen müssen, wo es Umstiegsmöglichkeiten gibt. Man könnte zum Beispiel so einen Knoten in Ottensheim bei der Abzweigung nach Aschach gestalten. Es müsste eine Park-and-Ride-Anlage und Einkaufsmöglichkeiten geschaffen werden. Auch ein Ärztezen trum. Damit die Menschen nicht nach Linz reinfahren müssen.

Linz kann das Verkehrsproblem allein nicht bewältigen. Wir brauchen das Land dazu.

Auch die Radfahrer, die mehr werden, sind unzufrieden. Die Radwege verlaufen teilweise auf Gehwegen und damit auf Kosten der Fußgänger. Warum verlegt man gekennzeichnete Radwege nicht auf die Straße?

Ich würde den Radler gerne mehr Raum geben, auch auf der Nibelungenbrücke. Wir kommen dort auf ebenso viele Radfahrer, rund 700.000, wie die Mühlkreisbahn Gäste nach Linz bringt. Die Linzer Verkehrspolitik hat eine lange Tradition der Versäumnisse. Es gab die Überlegung einer eigenen Rad- und Fußgeherbrücke. Man hätte die Nibelungenbrücke vor den Brückenbaustellen erweitern müssen. Wir müssen mit der Erweiterung nun warten, bis zumindest die Eisenbahnbrücke fertig ist, sonst gibt es für die Radfahrer keine Donauquerung. Die Freigabe von Fahrstreifen für die Radfahrer ist erst mit der Fertigstellung der Westringbrücke möglich.

Zur Zeit fahren täglich 60.000 Fahrzeuge über die Nibelungenbrücke. Nach den österreichischen Richtlinien darf es hier keinen Mischverkehr auf der Straße geben.

Das größte Problem bei der Planung und Gestaltung neuer Radwege ist die Verfügbarkeit der Grundstücke, die wir nicht haben und auch nicht kriegen. Die Baukosten sind das geringere Problem.

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