Kesselheisse und „Latte Art“

Fleischermeister Ulli hat für jeden die richtige Wurst.
Die Bezirksstadt Kirchdorf an der Krems bietet kulinarische Höhepunkte: Frische Würste und Oberösterreichs besten Kaffee.

Interessantes gibt es für den Besucher in Kirchdorf zu entdecken. Im Tourismusbüro am Hauptplatz erhalten wir von Julia Kienbacher eine treffende Kurzeinführung: „Eine kleine gemütliche Stadt, die überrascht.“

Geradezu historisch ist der Brauch der „Kesselheißen“, der jeden Donnerstag im heutigen Gasthof Schöllhuber zahlreiche Gäste aus nah und fern anzieht. Rasch erklärt uns der Wirt Hannes den Ablauf: „Geht nach hinten zur hauseigenen Fleischerei und sucht euch aus dem breiten Sortiment eure Wurst aus. In der Gaststube findet ihr dann Senf, Brot und Bier.“ Gesagt – getan.

Breite Wurstauswahl

Die Auswahl ist verblüffend breit. Wir können auswählen aus dünnen Kalbsbratwürsteln, kräftigen Knackern, eleganten Münchner Weißwürsten bis zu riesigen Meterwürsten. Ulli, der Fleischer, hat alles selber frisch erzeugt.

In der Gaststube speist niemand alleine. Jeder neue Gast wird automatisch in die spontane Würstel-Gemeinde eingebunden. Die Wirtin Mathilde blickt zufrieden auf den heutigen Morgen zurück: „Um acht Uhr früh haben wir bereits mehrere hundert Würste an die örtlichen Betriebe ausgeliefert.“ In diese kulinarische Kultur scheint die ganze Region eingebunden zu sein.

Cappuccino

Hans, ein regelmäßiger Gast aus einem Nachbarort, hat allerdings noch einen weiteren heißen Tipp: „Ihr müsst in der Konditorei Sturmberger die Nachspeisen probieren. Dort gibt es auch den besten Kaffee von ganz Oberösterreich.“ Das tun wir gerne und erhalten eine weitere Lektion in regionaler Kulinarik. Hausherr Stefan hat die Kaffeeuniversität in Triest besucht. Er serviert einen Cappuccino mit künstlerisch dekoriertem Milchschaum. „Latte Art“ nennt er die Kunst dieser speziellen Milchschaumtechnik. Aus der Kaffeetasse grüßt ein Christkind, ein Herz, ein Elefant oder ein Bär. Der Schaum fällt nicht zusammen und vermischt sich durch seine Feinporigkeit ideal mit der Kaffeeflüssigkeit. „Wir lernten gerne von den Italienern. Diese haben eine exzellente Kaffeekultur. Wir Österreicher haben dagegen eine tradierte Kaffeehauskultur. Beides verbinden wir hier.“

Auszeichnungen

Mehrere Titel bei Staatsmeisterschaften sowie erfolgreiche Teilnahmen bei Europa- und Weltmeisterschaften bestätigen den Weg von Sturmberger. Wir erfahren noch Interessantes: „Je nach Kaffeezubereitung wird ein anderer Kaffee verwendet. So kommt der Kaffee für den Espresso aus dem italienischen Piemont und für den Verlängerten aus einer anderen Lieferquelle. Je nach Art der Zubereitung wird eine eigene Kaffeemaschine und Frischmahlermühle verwendet.“ Diese Professionalität beeindruckt.

Nougat-Pyramide

Auch die Süßspeisen überzeugen. Die Haselnuss-Nougat-Pyramide schmeckt köstlich. Eine der neun hier angestellten Konditorinnen hat diesen Leckerbissen für die nächste Staatsmeisterschaft kreiert.

Kirchdorf ist tatsächlich eine kleine Stadt. Kaum 500 Meter lang ist das Stadtzentrum zwischen den beiden ehemaligen Stadttoren, dem Pyhrner und dem Welser Tor. Die Stadtführerin Sylvia Maller kennt viele Geheimnisse der Stadt von Kindesbeinen an. Wir begeben uns zur Pfarrkirche. „Die Bamberger Bischöfe errichteten neben der am Micheldorfer Georgenberg bestehenden Kirche eine Filialkirche, um die sich im Lauf der Zeit ein Dorf und schließlich eine Stadt entwickelte. Daher der heutige Name der Stadt.“

Romanisches Südtor

Das schlichte romanische Südtor erinnert an die Gründerzeit. Im Inneren der Kirche hat ein Stück gotisches Deckengewölbe spätere Wirren und schreckliche Brände überstanden. Gerne verweilen wir bei einem gotischen Flügelaltar aus der Donauschule des 15. Jahrhunderts.

Eine alte Holztür mit einem religiösen Fresko darüber.

Das romanische Südtor der Pfarrrkirche

Erstaunlich nahe liegt das historische Baderhaus. Hier werkten Wundärzte und kunstfertige Chirurgen. Das Eingangsportal von Jakob Prandtauer erinnert an den großen Baumeister, der den Vorgängerbau des heutigen Schlosses Neupernstein sowie die Klöster Kremsmünster und St. Florian mitgestaltet hat.

Josef mit dem Kind

Wieder zum Hauptplatz zurückgekehrt, fällt der Blick auf das Weißgerberhaus, benannt nach dem Ledergerber Stephan Eisen, der hier um 1600 gewohnt hat. Das Besondere ist jedoch die im ersten Stock angebrachte Figur „Josef mit Kind“. Man muss schon genau auf die eineinhalb Meter große Figur hinschauen, nicht nur weil sie durch ein Gitter geschützt ist, sondern weil hier ausnahmsweise nicht Maria ihr Kind am Arm hält, sondern Josef. Ein Dichter hat wohl Recht, wenn er sagt, ein Vater ist immer auch ein bisschen eine Mutter.“

Josef Leitner ist Universitätslektor und besucht mit seinem Reisemobil interessante Plätze der Natur und Kultur.

Kommentare