Jeder und jedes verdient zweite Chance

Jeder und jedes verdient zweite Chance
Unsere Omama repariert nicht nur alte Puppen und kaputtes Spielzeug, sie näht auch Polster aus alten T-Shirts und pflegt kranke Pflanzen gesund. Von Christa Koinig.

An die lädierten Puppen und Spielsachen, die hier herumliegen, habe ich mich längst gewöhnt, genauso wie an die vielen Kissen, die neuerdings mein Bett zieren. Aber wenn ich die verschrumpelten Pflanzenreste in bunten Töpfen sehe, frage ich mich schon, ob das einen Sinn macht. Es hat sich längst herumgesprochen, dass Omama sich um pflanzliche Patienten kümmert. Daher wird das Wartezimmer, unser Wintergarten, immer voller und der Platz für neue Blühpflanzen immer knapper.

Die Orchidee blüht wieder auf

Gerade sitze ich vor einem mickrigen Pflänzchen, das wahrscheinlich vor sehr langer Zeit bessere Zeiten gesehen hat, denn es steht schon seit Jahren hier herum. Omama sagt, das sei eine Orchidee. Schön und gut, aber es schaut eher aus wie ein vertrockneter Ohrwaschlkaktus. Was daran soll an eine schöne Orchidee erinnern?

Da zeigt Omama auf ein winziges Würmchen unter den paar grünen Blättern: „Schau genau, das ist eine Blütenknospe. In ein paar Wochen wird diese Orchidee blühen, als hätte sie nie etwas anderes getan. Sie genießt ihre zweite Chance.“ Das ist es also, was Omama mir sagen möchte: Alles verdient eine zweite Chance – ob es nun kaputtes Spielzeug ist, alte Kleidung oder kranke Pflanzen. Da wollte ich natürlich wissen, ob das auch für Menschen gilt.

„Natürlich“, sagte Omama, „was beim ersten Mal danebengeht, gelingt vielleicht beim zweiten oder dritten Mal. Man muss nur Geduld haben, die Liebe zum Neuanfang bewahren und daran glauben, dass alles gut wird.“

Christa Koinig ist künstlerische Leiterin des Linzer Puppentheaters

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