Götschhofer: „Österreichs Fußball-Team wird noch überzeugender performen“

Ein Mann im Anzug hält einen Fußball der Marke Jako in der Hand.
Gerhard Götschhofer, Präsident des OÖ Fußballverbandes, setzt auf Spanien als Europameister. Vom Aufstieg des Nationalteams ist er überzeugt. Von Gerhard Marschall und Josef Ertl.

Heute, Sonntag, bestreiten Spanien und England im Berliner Olympiastadion das Endspiel um die Fußball-Europameisterschaft 2024. Gerhard Götschhofer ist seit 2013 Präsident des OÖ Fußballverbandes. Er gehört auch dem Präsidium des ÖFB an. Im Herbst 2025 will der 66-Jährige seine Funktion an seinen designierten Nachfolger Stefan Sandberger übergeben.

KURIER: Unter den Viertelfinalisten bei der Europameisterschaft waren Mannschaften wie Frankreich oder England, die einen wenig attraktiven Fußball spielen. Es wird quer von links nach rechts gespielt, dann von rechts nach links, ohne wirklichen Drang zum Tor. Ist das auch Ihr Eindruck?

Gerhard Götschhofer: Der Fußball ist derart taktisch geprägt, dass es immer schwieriger wird, auch mit noch so guten Fußballern Vierer- oder Fünferketten zu überwinden. Die Spanier zeigen aber, dass man mit besonders viel Können und Technik derartige Ketten durchbrechen kann. Wenn eine Mannschaft ein Tor erzielt, muss die beste Fünferkette aufgelöst werden, um den Rückstand wettzumachen. Das Spielfeld gleicht heute einem Schachbrett, auf dem Ketten verschoben werden, um eine Lücke zu finden. Die Österreicher waren ein gutes Beispiel dafür, dass diese Ketten immer wieder durchbrochen werden können, insbesondere im Spiel gegen Holland.

Diese taktisch geprägten Spiele sind ergebnisorientiert, aber sie verlieren an Attraktivität.

Natürlich. Dieses Problem hat es immer schon gegeben, denken wir zurück an die Italiener mit ihrem Catenaccio.

Wird es Regeländerungen brauchen? Es wird über Änderungen in der Abseitsregel diskutiert.

Bei Regeländerungen muss man sehr vorsichtig sein. Sie betreffen den weltweiten Fußball. Eine Änderung muss sehr bedacht passieren, es gibt sie immer wieder. Das passive Abseits gilt nicht mehr, der Tormann darf einen Rückpass nicht mehr mit der Hand aufnehmen.

Gibt es neue Erkenntnisse aus der EM?

Unsere Nationalmannschaft kann mit den besten der Welt mithalten. Wir gehen mit viel Optimismus in die Nations League und in die Qualifikation für die Weltmeisterschaft. Wir haben reüssiert, wir sind mit Pech ausgeschieden.

Warum hat es letztlich doch nicht gereicht?

Es lag am Spielverlauf. Hut ab vor dem jungen türkischen Spieler, der die Eckbälle ganz toll schießt. Nicht nur gegen uns, sondern auch gegen die Holländer. Mit seinen beiden Cornern hat er uns den Garaus gemacht, aber wenn man das gesamte Spiel verfolgt hat, konnte man sehen, dass die Türken stehend k. o. waren. Wir hätten sie in der Verlängerung sicher besiegt. Wir waren spielerisch besser.

Es fällt auf, dass sich sowohl der ÖFB als auch Ihr Landesverband deutlich für Wettfirmen geöffnet haben. Wetten sind wegen möglicher negativer Folgen ethisch umstritten, zum Beispiel wegen der Gefahr der Spielsucht. Dazu kommt noch die Kriminalität in dem Bereich. Können Sie auf diese Art der Werbung nicht verzichten?

Lotto und Toto sind seit Jahrzehnten ein Sponsor des Sports. Im Bundessportgesetz ist festgeschrieben, dass daraus so und so viele Mittel dem Sport und dem Fußball zugutekommen. Wetten und Spiele sind nicht per se etwas Schlechtes, sondern die Frage ist, wie man damit umgeht. Sportwetten haben sehr wohl eine Berechtigung. Es darf das gesunde Maß nicht überschritten werden. Das ist ja auch beim Alkohol der Fall. Die Bierwerbung nahm bei der Europameisterschaft einen großen Platz ein. Es hat niemand etwas gegen das Bier, wenn es im richtigen Maß genossen wird. Mit dem generellen Verbot von Sportwetten würde man das Kind mit dem Bad ausschütten.

Wo ist für Sie die Grenze beim gesunden Maß?

Man muss die Art der Wetten beobachten. Und man könnte zum Beispiel die Höhe der Einsätze begrenzen.

Der Landesfußballcup wird von Admiral beworben. Wie sieht hier die Vereinbarung aus?

Admiral wird hier beworben und finanziert dafür die Preise für die besten Mannschaften.

Wer die Fußball-Europameisterschaft im Fernsehen beobachtet, sieht eine Flut von Werbungen von Wettanbietern. Fußball ist hier der Transporteur von diesen Entwicklungen, noch dazu, wenn der Sympathieträger ÖFB-Teamchef als Werbeträger für dieses Geschäftsfeld auftritt. Der ÖFB hat gleich zwei Sponsoren aus der Branche. 

Das Ausmaß der Werbung hängt damit zusammen, dass es viele Wettanbieter gibt. Der Markt ist stärker umkämpft als zur Zeit, als die Lotterien noch eine Monopolstellung gehabt haben. Es braucht ähnlich wie beim Kartellrecht ein Reglement, das jeglichen Übertreibungen einen Riegel vorschiebt.

Ein türkischer Spieler und türkische Fans provozierten mit dem rechtsextremistischen Wolfsgruß. Was meinen Sie dazu?

Ich bin erschüttert, dass das von oberster Stelle unterstützt wird. Es erschüttert mich, dass sich Tausende Fans so in der Öffentlichkeit präsentieren. Die Politik und die Verantwortlichen müssten alles tun, um das zu unterbinden. Ich kann nur hoffen, dass man in Zukunft darauf besser reagiert. Ich habe momentan auch kein probates Mittel, dagegen vorzugehen. Mit hat sehr gut gefallen, dass die deutsche Polizei den Marsch der türkischen Fans sofort aufgelöst hat. Positiv finde ich auch die Sperre für den türkischen Spieler durch die UEFA.

Gibt es hier im oberösterreichischen Fußball Probleme?

Nicht dass ich wüsste. Wir kennen keine Vorfälle.

Ein Mann mit Brille und kariertem Sakko sitzt an einem Tisch und gestikuliert.

Gerhard Götschhofer, Präsident der oberösterreichischen Fußballverbandes

Französische Spieler haben sich zum Rechtsruck in ihrem Land geäußert. Michael Gregoritsch und Teamchef Ralf Rangnick haben auch beachtliche Statements abgegeben.

Man muss aufpassen. Einerseits hat es mir gefallen, dass Spieler klare Kanten gegen Fehlentwicklungen zeigen. Andererseits sagt man gerne, Politik hat im Sport nichts verloren.

Die Entscheidungen des VAR (Video Assistent Referee, Anm. d. Red.) sind umstritten. Deutschland hat im Spiel gegen Dänemark mit einer heftig diskutierten Handelfmeter-Entscheidung davon profitiert, im Spiel gegen Spanien ist die Entscheidung gegen sie gefallen. Die Entscheidungen sind sehr schwer nachvollziehbar.

In Zeiten, in denen 36 Kameras ein Spiel aufzeichnen, im Ball ein Chip enthalten ist und die Künstliche Intelligenz (KI) involviert ist, kann man auf den VAR nicht verzichten. Weil man durch die Kameras, auch ohne VAR, die Situation im Nachhinein beurteilen kann. Der VAR darf aber nicht so viel eingreifen, wie die Fernsehzuschauer gerne hätten.

Schiedsrichterentscheidungen sind Tatsachenentscheidungen, daran hat der VAR nichts geändert. Der VAR war bei der umstrittenen Hand-Entscheidung im spanischen Strafraum nicht in der Lage einzugreifen. Die Feinbeurteilung wird immer eine menschliche bleiben. Der Fußball wird immer einen Touch der Ungerechtigkeit für eine Mannschaft haben.

Das österreichische Nationalteam spielt gut, aber bis auf Gernot Trauner ist kein Oberösterreich im Team. Dabei haben wir zwei Leistungszentren.

Das liegt entweder in den früheren Jahren, sodass die Ausbildung nicht entsprechend gefruchtet hat. Oder an den Bundesliga-Vereinen, die zu wenig österreichische, team-taugliche Spieler beschäftigen. Hier muss man dazu sagen, dass drei Viertel der Nationalteams Legionäre sind. Diese sind bei entsprechender Performance spätestens mit 20 Jahren im Ausland. Die Frage ist, ob wir nicht zu viele Fußball-Akademien haben. Die 12 Akademien produzieren jährlich 240 Spieler.

Haben wir zu viele Akademien?

Die kritischen Stimmen, die sagen, wir haben zu viele Ausbildungsplätze, sind nicht ganz von der Hand zu weisen.

In Oberösterreich gibt es zwei Akademien. Kämen wir mit einer aus?

Man muss das österreichweit sehen. Wir würden mit zehn Akademien auskommen. Derzeit gibt es zwölf, eine 13. ist am Anmarsch, der GAK möchte auch noch eine.

Bei den Absolventen wird Berufserwartung geweckt, dass sie Profis werden.

Wir haben auch eine Verantwortung dafür, wenn es dann mit dem Fußball nicht klappt. Hat er eine Berufsausbildung, sodass er woanders eine Laufbahn einschlägt? Oder muss er sich in der Regionalliga durchfretten und steht dann ohne Berufsausbildung da?

Österreich hat im Vergleich mit dem Ausland mit mehreren Dingen zu kämpfen. Das beginnt bei den finanziellen Mitteln, wir haben nicht die Vereine, die sich das alles so leisten können. Im Prinzip blickt jeder auf die öffentliche Hand und erwartet Unterstützung.

Teamchef Ralf Rangnick ist ganz wesentlich für den Erfolg. Er hat im ÖFB viel verändert. Muss sich noch mehr ändern?

Rangnick ist ein Segen für den ÖFB. Er hat unausgesprochen freie Hand bei seinem Engagement. Das war mitentscheidend für seinen Verbleib. Es zeichnet ihn seine akribische Arbeit aus. Auch nach dem Ausscheiden bei der EM werden mit dem gleichen Optimismus und Engagement die nächsten Bewerbe angegangen. Ich glaube, dass wir noch ein Schäuferl nachlegen und noch überzeugter performen werden, als wir es bisher gemacht haben.

Alle Wichtigtuer und Altinternationalen sind verstummt.

Der Erfolg gibt ihm recht. Wir im ÖFB dürfen uns in der Entwicklung und im Angehen von Neuerungen ein Beispiel nehmen. Zum Beispiel, ob die Strukturen des ÖFB noch zeitgemäß sind. Die 13 Mitglieder des Präsidiums spielen fast einen halben Vorstand. Wir wollen das in nächster Zeit angehen. Ich würde jeder guten Strukturveränderung zustimmen. Früher war der Landesfußballverband ein Verein. Heute haben wir zwei Geschäftsführer, die den Verband vertreten. Wir sind eine Art Aufsichtsrat. Das sollte auch beim ÖFB möglich sein.

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