Gift oder Liebe?

Seppy
Jetzt sind wieder ganz viele Schwammerlsucher unterwegs. Von Christa Koinig.

Sie stapfen scharenweise durch Wälder, und dabei kann es schon einmal passieren, dass sie sich verirren oder Hänge hinunterrutschen. Oder sie sammeln Pilze, die sie überhaupt nicht kennen. Was sie damit tun sollen, wissen sie oft gar nicht, aber Hauptsache, sie haben möglichst viele aus dem Wald mitgenommen. Ich finde das merkwürdig, ja sogar ein bisserl gierig. Als Puppe darf ich das sagen.

Weil es mich interessiert, was es mit dieser Pilzesammlerei auf sich hat, bin ich in den Wald gegangen, um mit den Pilzen zu reden. Zwischen Farnen und Moos entdeckte ich gleich einen wunderschönen Fliegenpilz, äußerst giftig! Aber was ist eigentlich Gift? „Gift kann helfen, wenn es richtig eingesetzt wird, aber zu viel davon kann krank machen“, nuschelte der Fliegenpilz. „In der Medizin zum Beispiel …“, doch bevor er weiterreden konnte, kicherte es plötzlich hinter mir.

Alles ist giftig, wenn es zu viel ist

Es waren gelbe Eierschwammerl, die riefen: „Hey, du Klugpilz! Alles ist giftig, wenn es zu viel ist! Sogar zu viel Zucker kann giftig sein für den Körper, zu viel Zank und Streit ist Gift für die Seele.“ „Halt, halt!“, brummte ein großer Herrenpilz. „Es gibt doch etwas, wovon man nie genug haben kann.“ „Was denn, was denn?“, ätzten Fliegenpilz und Eierschwammerl gemeinsam. „Schwammerlsauce“, wollte ich rufen, aber der Herrenpilz meinte, „wovon man nie genug haben kann, ist Liebe.

Liebe macht das Leben wertvoller und die Welt ein bisschen besser.“ Richtig. Aber ein paar Eierschwammerl habe ich dann doch mitgenommen und ich freue mich schon auf Omamas Schwammerlsauce mit Knödeln. Die liebe ich!

Christa Koinig ist künstlerische Leiterin des Linzer Puppentheaters

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