Frankenburger Würfelspiel: das Blutgericht am Haushamerfeld

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Zum doppelten Jubiläum mahnt das „Frankenburger Würfelspiel“ Toleranz, demokratische Grundwerte, Glaubens- und Meinungsfreiheit ein. 1625, vor 400 Jahren, wurden 17 Protestanten gehängt. Vor 100 Jahren wurde das Frankenburger Würfelspiel uraufgeführt. Von Gerhard Marschall.

Sobald es dämmert und die Nacht den Tag niederringt, beginnt das schaurige Spiel.

Aus der Tiefe der weitläufigen Freilichtbühne ziehen nach und nach Menschen herauf: Bauern, ein Soldatenheer, angekündigt von Trommeln und Fanfaren, blutrot gewandete Henker, hoch zu Ross der Graf. Ihr Ziel ist eine mächtige Linde, der eine zentrale Rolle zukommen wird.

1625 – das heutige Oberösterreich war von den Habsburgern an den bayerischen Herzog Maximilian I. abgetreten worden, der im Zuge der Gegenreformation katholische Priester entsendet. Als ein solcher in der mehrheitlich protestantischen Pfarre Frankenburg eingesetzt werden soll, kommt es zur Revolte. Den Aufständischen wird Gnade versprochen, doch am 15. Mai lässt der bayerische Statthalter Adam Graf von Herberstorff alle männlichen Bewohner der Grafschaft – rund 5.000 an der Zahl – auf dem Haushamerfeld zusammentreiben. 36 mutmaßliche Anführer müssen paarweise um ihre Leben würfeln: Die Gewinner werden begnadigt, die Verlierer aufgehängt.

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Das Blutgericht gilt als Sinnbild für die gewaltsame Zurückdrängung des evangelischen Glaubens in der Region. Eine eingehendere historische Aufarbeitung blieb allerdings lange Zeit aus. Die katholische Habsburger-Monarchie hatte kein Interesse an Erinnerung. Dieses dennoch tief im Bewusstsein der Menschen verankerten Geschichtskapitels nimmt sich das „Frankenburger Würfelspiel“ an. 1925 wurde es uraufgeführt.

Der Text, verfasst vom Schriftsteller Karl Itzinger aus Wels, war geprägt von sprachlichen Klischees und völkisch-nationalem Denken jener Zeit. Itzinger war vor 1938 als illegaler Nationalsozialist, anschließend als NSDAP-Mitglied in verschiedenen Funktionen aktiv. In der Zeit des Austrofaschismus waren Aufführungen des Spiels verboten. Das Thema war unerwünscht, konnte es doch sowohl vom völkisch-nationalen wie auch vom sozialdemokratischen Lager propagandistisch genutzt werden. Fast logisch vereinnahmten in der Folge die Nationalsozialisten, dem Erdigen, Antiklerikalen überaus zugetan, das Stück. Eine verschärfte Fassung wurde 1936 im Rahmenprogramm der Olympischen Spiele in Berlin aufgeführt. Die Aufständischen wurden darin zu sich in völkischem Willen aufopfernden Helden verklärt. Auch in Frankenburg wurde das „Würfelspiel“ an der heutigen Spielstätte wieder aufgeführt. Unter den Besuchern waren zahlreiche Parteigrößen, so auch Gauleiter August Eigruber.

Exekution

Wie in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens erfolgte die Auseinandersetzung mit Autor, Ursprung und nationalsozialistischer Instrumentalisierung des Stücks nach dem Krieg nur zaghaft und halbherzig. Schließlich waren auch viele Mitwirkende aus dem Ort belastet. Führende Protagonisten waren gar an der Exekution des polnischen Zwangsarbeiters Michael Cieslak im Zuge eines Rasseschande-Prozesses beteiligt. Eine tiefe Kluft in der Bevölkerung ließ lange Zeit nicht an eine Wiederaufnahme denken. Die einen wollen von Blut-und-Boden-Ideologie nichts mehr wissen, die anderen nicht an ihre Mitschuld erinnert werden. Zudem gab es massiven Widerstand von katholischer Seite. Die bedingungslose Exekution der Gegenreformation sollte dem Dunkel des Vergessens anheimfallen. Der Frankenburger Pfarrer rief die Bevölkerung auf, am „Würfelspiel“ nicht mitzuwirken.

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Leben oder Tod: ein zynisches Spiel

Mitte der 1960er-Jahre wurde eine neue Ära eingeläutet. Das Spiel wurde in Etappen von Heldenmythos und allem allzu Heroischen befreit, auf eine zeitgemäße, historisch korrekte Ebene gehoben. Dieser Prozess sei nicht abgeschlossen, sagt Vereinsobmann Michael Neudorfer: „Die historischen Umstände des Stücks können nicht verändert werden, die motivische Ausrichtung sehr wohl.“ 400 Jahre nach dem Blutgericht auf dem Haushamerfeld und 100 Jahre nach der Uraufführung rollen die Würfel heuer zwölfmal. Regie führt Hans Gebetsberger. Die Premierenfeier am kommenden Freitag steht unter dem Titel „Was kann Theater?“. Der Schauspieler Cornelius Obonya wird die Festrede halten. Die Positionierung der Würfelspielgemeinde zur eigenen Geschichte sei mittlerweile eindeutig, stellt Obmann Neudorfer klar. Ebenso Auftrag und Botschaft: „Wir möchten einen Beitrag zu einer toleranten, offenen und demokratischen Gesellschaft leisten.“

Aufführungstermine

25., 26., 27. Juli, 1., 2., 3., 8., 9., 10., 15., 16., 17., August, jeweils 20.30 Uhr.

Erwachsene 25 €, Kinder 10 €, Familien 55 €. Abendkassa auf dem Marktplatz an Aufführungstagen ab 18.30 Uhr. www.wuerfelspiel.at

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