„Es wird bald viele Schicksale geben“
Es gab schon vor Corona genug Menschen mit finanziellen Problemen, „aber in den kommenden Monaten bis Jahren erwarten wir rund 40 Prozent Klienten mehr“, befürchtet Thomas Berghuber. Im Falle des studierten Juristen ist dieser Zuwachs kein Grund zum Jubeln: Berghuber ist Geschäftsführer der Schuldnerberatung OÖ und seit 30 Jahren auf diesem Gebiet tätig.
Warum es Monate bis Jahre dauern könnte, bis der Schuldenberg zu groß wird, um ihn alleine oder überhaupt zu stemmen? „Schulden zu haben ist sehr beschämend für die betroffenen Personen. Viele kämpfen lange, auch mit verschiedenen Mitteln, um ihre Probleme in den Griff zu bekommen. Es wird bald viele Schicksale geben“, weiß Berghuber.
In Turbulenzen
Kurzarbeit und Jobverlust, bedingt durch die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus’ in Österreich, werden die finanzielle Lage für viele Menschen akut verschärfen: „Wenn ein paar Monate kein oder weniger Einkommen aufs Girokonto kommt, geraten viele schon in echte Turbulenzen.“ Ein paar Tipps für Menschen, die bemerken, dass ihre Finanzen in die Schieflage geraten, hat Thomas Berghuber parat: „Auch wenn es nicht wirtschaftsfreundlich ist: Aber bitte sofort den Konsum und das Anschaffen unnützer Dinge abstellen. Den Hausverstand einschalten, keine spontanen Ausgaben tätigen, sondern lieber noch mal eine Nacht drüber schlafen. Mit anderen über Geld reden und vor allem dem großen sozialen Druck nicht nachgeben.“
Denn genau dieser soziale Druck sei der Ausgangspunkt für die meisten finanziellen Probleme: „Heute denkt jeder, dass er ein riesiges Haus, eine Doppelgarage mit zwei schönen Mittelklassewagen, einen Pool und mehrmals pro Jahr exklusive Urlaube braucht. Das wenigste davon ist selbst finanziert, es gibt sogar Hausprojekte, die zu 100 Prozent fremdfinanziert sind. Und weil das alle so machen, denken sich auch Herr und Frau Huber, dass das normal ist und bestimmt irgendwie gut gehen wird. Es wird suggeriert, dass Schulden kein Problem sind.“ Wenn der Schuldenberg so groß ist, macht die Verzweiflung handlungsunfähig: „Viele stecken dann den Kopf in den Sand.“
Aufzeichnungen
Das Um und Auf, um die eigenen Finanzen im Blick zu haben, sei das Führen einer Einnahmen-Ausgabenaufzeichnung, „das kann das klassische Haushaltsbuch, eine App oder eine Excel-Tabelle sein. Egal wie, Hauptsache man sieht am Ende des Monats, wie das Verhältnis ist. Dann kann man auch schnell reagieren.“
Ein weiteres Problem sei die Unwissenheit: „Viele Menschen haben wenig Ahnung vom Umgang mit Geld, wissen noch nicht mal über die Zahlen auf dem eigenen Konto Bescheid.“ Deswegen sei ein Termin bei der Schuldnerberatung immer schlau. Denn mit den Expertinnen und Experten kann auch das Haushaltsbudget berechnet und ein Plan für Zukunft erstellt werden.
Kosten- und wertfreie Beratung von Profis
In Oberösterreich gibt es zwei offizielle Stellen, die kostenfreie Schuldnerberatung anbieten – die Schuldnerberatung OÖ (Tel.: 0732/77 55 11 oder www.ooe.schuldnerberatung.at) und die Schuldnerhilfe OÖ (Infos: www.schuldner-hilfe.at, 0732/77 77 34, ). Mit Ausnahme von Linz, wo beide Vereine tätig sind, decken die beiden Institutionen unterschiedliche Regionen in der Schuldnerberatung ab. In Oberösterreich gibt es neun Beratungsstellen und sieben regelmäßige Sprechtage.
Sei es Hilfe bei der Erstellung eines Haushaltsbudgets, Fragen bei Jobverlust und damit drohendem Abrutschen in Schulden, sei es eine finanzielle Zukunftsplanung oder sei es vielleicht sogar bei der Begleitung eines Privatkonkurses – die Expertinnen und Experten der Beratungsstellen informieren wertfrei, das Angebot ist kostenlos.
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