Angerschmid freut sich mit Brunmayr (li.) und Pogatetz (re.) über den Cup-Pokal.
Der Innviertler Michael Angerschmid im KURIER-Gespräch über ein außergewöhnliches Jahr bei Crystal Palace. Von Gerhard Marschall.
09.06.25, 13:33
„Gratulation!“ „Super Leistung!“ „Großartig!“ Im Gastgarten beim Mayer-Bäcker in Ried im Innkreis fliegen Michael Angerschmid von allen Seiten Glückwünsche zu. Die gelten einem sensationellen Triumph: Crystal Palace hat gegen den haushohen Favoriten Manchester City den englischen FA-Cup gewonnen. Der Michi, wie ihn hier in seiner Heimat alle nennen, hat bei dem Londoner Klub als Co-Trainer eine zentrale Funktion.
Zurzeit macht Angerschmid Urlaub. Eine Woche Kroatien steht an. Ansonsten sind Dinge zu erledigen, die über das Jahr liegen geblieben sind. „Bei der Scheibtruhe ist der Reifen kaputt.“ Aufgrund des dichten Spielkalenders in England sind sich nur ein paar Heimflüge ausgegangen. Stattdessen haben ihn Ehefrau Karin, Tochter Lena und Sohn Philipp regelmäßig besucht.
Beim Gespräch im Kaffeehaus wirkt Angerschmid sehr entspannt. Daheim, im beschaulichen Eitzing, fällt der Stress der vergangenen Monate rasch ab. „Wenn du in der Früh auf die Terrasse gehst, hörst du keinen Lärm, nur die Vogerl.“ Die Millionenstadt London, in der er seit eineinhalb Jahren arbeitet und lebt, komme hingegen nie zur Ruhe: „Ich wohne im 50. Stockwerk, aber du hast immer ein Grundrauschen.“
Ohne Allüren
Obwohl auch im Profifußball ziemlich weit oben angekommen, ist Angerschmid frei von Allüren. Er pflegt Freundschaften, so gut es über die Distanz möglich ist. Unlängst ist er dem Ruf von Klaus Roitinger, seines ehemaligen Trainers, gefolgt, der ein Legendenteam der SV Ried zusammengetrommelt hat.
Angerschmid absolvierte mehr als 400 Spiele für die SV Ried
Assistenz
„Hauptsache nicht verletzt“, resümiert Angerschmid. Auch einer, der täglich auf dem Sportplatz steht, kann sich mit 51 nicht mehr jedes Tackling erlauben. Angerschmid assistiert seit zehn Jahren Oliver Glasner (50), dem Erfolgstrainer aus Riedau. Die beiden Innviertler kennen sich seit ihrer aktiven Zeit bei der SV Ried.
Kultstatus
Zusammen mit den Landsleuten Ronald Brunmayr (50) und Emanuel Pogatetz (42) haben sie bei Palace Kultstatus erlangt. Zum ersten Mal in seiner 120-jährigen Geschichte hat der Klub den in England heiß begehrten Pokal gewonnen. Platz zwölf in der Premier League ist ebenso Bestwert ever.
Schwieriger Start
Dabei war der Saisonstart suboptimal verlaufen. Doch weder bei den Fans noch in der Vereinsführung sei jemals Unruhe ausgebrochen, erzählt Angerschmid: „Die Mannschaft hat eine sehr gute Mentalität. Die Spieler sind hungrig und gewillt, die Dinge umzusetzen, die man ihnen sagt und zeigt.“ Standards zum Beispiel, bei denen Crystal Palace in der Premier League eine Top-Erfolgsquote schaffte. Sie sind in erster Linie Angerschmids Job. Während des Spiels ist sein Platz auf der Betreuerbank der neben Glasner.
Ernste Miene
Warum er meist sehr ernst schaue? „Ich bin fokussiert“, sagt Angerschmid und schmunzelt. „Meine Kinder haben auch schon gesagt, dass ich ab und zu lachen darf.“
Zwischen Glasner und Angerschmid hat sich im Laufe der Zeit eine bruchfeste Freundschaft entwickelt. „Er hat eine ganz klare Philosophie, wie er Fußballspielen will“, sagt der Co über den Chef. Freilich sei ein System nicht mit jeder Mannschaft gleichermaßen umzusetzen, es müsse an das vorhandene Personal und an den jeweiligen Gegner angepasst werden.
Die Analyse
„Er ist richtig gut, das zu analysieren und die richtigen Schlüsse zu ziehen.“ Und: Glasner lasse niemals locker, wisse stets, wo noch Verbesserungspotenzial zu finden sei. Wobei er auf sein Team höre. „Wir sagen ihm, was uns auffällt. Was er aus unserem Feedback macht, ist seine Sache. Er hat die Letztverantwortung.“
Verlängerung
„Es schaut so aus“, beantwortet Angerschmid die Frage, ob das Österreicher-Team ein weiteres Jahr bei Crystal Palace anhängen wird. Anfang Juli ist Trainingsbeginn. Klar liege es auch im Interesse des Vereins, die Truppe zusammenzuhalten oder etwaige Abgänge bestmöglich zu ersetzen. Die Erwartungen seien gewiss gestiegen, doch die Mannschaft sei gesattelt. „Sie weiß mittlerweile recht gut, wie wir spielen wollen.“
Europa League
Mit dem Pokalsieg hat sich Crystal Palace für die Europa League qualifiziert. Die haben Glasner und Angerschmid 2022 mit Eintracht Frankfurt bereits gewonnen. „Es wird sicher wieder eine Herausforderung“, blickt Angerschmid dem kommenden Spieljahr gelassen entgegen: „Das ist ja das Schöne, dass du vorher nie weißt, was kommt.“
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