Die Würde der Schnecke

Seppy und die Schnecke
Eine Schnecke ist kein Tennisball. Von Christa Koinig.

Ich kenne eine Figur, die hat die kuriosesten Einfälle. Neulich hat sie mich zum Spielen abgeholt und zwei Tennisschläger mitgebracht. Fein, dachte ich und hab’ mich schon aufs Tennis- oder Federballspielen gefreut. Doch dann habe ich meinen Augen nicht getraut. Die Figur hatte ein wunderschönes Schneckenhaus mitgebracht.

Die Schnecke lebt

Da wäre ja noch nichts dabei. Aber – und jetzt kommt’s – sie wollte mit diesem schönen Schneckenhaus spielen, nämlich es mit den Rackets hin und her schubsen. Und – jetzt kommt’s noch dicker – in dem Schneckenhaus war eine lebendige Schnecke. Das Haus war zwar noch verschlossen, weil sie noch nicht aus ihrer Kältestarre aufgewacht war, doch bald würde sie schon auf Nahrungssuche gehen.

Bis zu 30 Jahre alt

Es war eine sehr alte Weinbergschnecke. Ich konnte das am Schneckenhaus erkennen, weil es schon viele Ringe hatte. Diese Schnecken können bis zu 30 Jahre alt werden. Gerade als ich das schöne Haus bewundert habe, hat sie mir der Typ aus der Hand gerissen und die Schnecke mit dem Tennisschläger durch die Luft katapultiert. Ich sollte sie auffangen, hab’ sie jedoch nicht erwischt, und sie ist in der Wiese gelandet. Zum Glück, denn wäre sie auf den Asphalt gefallen, wäre sie vielleicht zerbrochen.

Auch Tiere haben ein Recht auf Würde

Ich war nicht glücklich mit diesem Spiel und wusste nicht so recht, was ich sagen sollte. Da hat mir Omama aus der Patsche geholfen. Sie hatte uns beobachtet und sich lautstark eingemischt. „Das ist kein Tennisball!“, hat sie gerufen, „es ist ein lebendiges Wesen und hat ein Recht auf Würde! Auch wenn es nur eine Schnecke ist.“

Christa Koinig ist künstlerische Leiterin des Linzer Puppentheaters

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