Der einsame Schwan

Seppy
Die letzten Ferientage habe ich mit meiner Menschenfamilie an einem wunderschönen See verbracht. Von Christa Koinig.

Ich konnte mich heimlich ins Reisegepäck schummeln, und so war ich dabei, als alle zu einem kleinen Bootshaus gefahren sind, wo sie ein paar gemütliche Tage genossen haben. Man konnte direkt von der Terrasse ins Wasser hüpfen, abends lange dem Plätschern der Wellen lauschen oder Enten füttern, die jeden Morgen um die gleiche Zeit in Scharen dahergeschwommen kamen, um Leckerbissen zu ergattern. Regelmäßig kam auch ein Schwan vorbei, ein einzelner. Ohne Begleitung, ohne Familie, ganz allein. Schwuppdiwupp hat er natürlich alle Enten verjagt, um allein ans Futter zu gelangen.

Es hat sich halt nicht ergeben

Aber wir hatten eh nichts zum Füttern, denn das Menschenfrühstück war ratzeputz aufschnabuliert, kein Bröserl war übrig. Da war er, glaube ich, ein wenig enttäuscht, dieser einsame Schwan. Doch weil er mir so leidgetan hat, habe ich mich ein wenig mit ihm unterhalten. Ich habe ihn gefragt, warum er so allein ist. Man sagt doch, Schwanenpaare bleiben lebenslang zusammen, bauen gemeinsam ein Nest und ziehen ihre Jungen auf, und vor allem, sie bleiben sich ewig treu. „Wem sollte ich treu sein, wenn ich keine Partnerin habe?“, erwiderte der Schwan gelassen. Auf meine Frage, warum er niemanden habe, meinte er nur: „Es hat sich halt nicht ergeben.“

Omama hätte dazu wohl gesagt: „Manchmal gibt die Natur Rätsel auf, aber nicht jeder, der allein ist, muss auch einsam sein.“ Und während der Schwan stolz übers Wasser davonglitt, dachte ich: Vielleicht wartet er gar nicht auf die große Liebe – sondern einfach nur auf einen ordentlichen Frühstückshappen.

Christa Koinig ist künstlerische Leiterin des Linzer Puppentheaters

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