Wertschätzung
Werthner hält es schlichtweg für ungerecht, Erfolg nur an Medaillen festzumachen. Allein, zum Kreis der Weltbesten zu gehören, verdiene größten Respekt. „Sportler investieren sehr viel und sollten dafür eigentlich wertgeschätzt werden“, sagt der Sportpsychologe Stefan Aigner, der im Olympiazentrum auf der Linzer Gugl arbeitet. Dahinter stehe häufig ein sehr starker innerer Antrieb, irgendwann der oder die Beste zu sein, jedenfalls das eigene Potenzial maximal auszuschöpfen.
Zur Perfektionierung der Leistungsfähigkeit müssten viele Komponenten zusammenspielen, sagt Werthner. Wer diesen Prozess über einen längeren Zeitraum hinweg gespürt habe, erfahre eine spezielle Motivation. Die sei Voraussetzung, um Sport auf hohem Niveau zu betreiben. Und: „Da muss schon sehr viel Liebe zum Sport da sein.“ Zumal es keine Erfolgsgarantie gibt, sehr wohl aber Risken.
Verena Mayr und Ivona Dadic, Österreichs Parade-Siebenkämpferinnen, wissen das aus leidvoller Erfahrung. Nach langwierigen Verletzungen kämpfen sie sich zurzeit mühsam zurück an die Spitze. Mit dieser „grundlegenden Liebe zum Sport“ begründet auch Stefan Aigner, warum sich jemand all die Plagerei antut. „Es gibt Athleten, die investieren ihr ganzes Leben in den Sport und wissen, dass sie weder reich noch megaberühmt werden. Und trotzdem trainieren sie jeden Tag.“
Die meisten Menschen verstünden nicht, wie es sei, sich in einem Bereich zu bewegen, in den zu gelangen nur ganz wenige schaffen, argumentiert Aigner: „Dass es nicht immer so ausgeht, wie man sich das wünscht, ist Sport.“ Werde das in der öffentlichen oder medialen Wahrnehmung als Versagen abgetan, sei das für die Betroffenen demotivierend. „Das sind Dinge, die unglaublich wehtun.“ Aufgabe des Sportpsychologen sei, die Perspektive zu verändern, um das nicht zu nahe gehen zu lassen.
Das System ändern
Budapest ist abgehakt, Paris steht an. Dort finden 2024 Olympische Spiele statt. „Vor Olympia viel Geld auszuschütten, ist keine große Leistung“, spricht Werthner ein grundsätzliches Problem an: „Ich fordere seit vielen Jahren Strukturänderungen im ganzen Sportsystem.“ Das sei eine Kulturfrage: Wo könne Österreich Weltklasseleistungen vollbringen? Mit Sicherheit im Sport. Das strukturelle Dilemma am Beispiel Leichtathletik: Die funktioniere im Wesentlichen ehrenamtlich, darüber hinaus brauche es mehr Professionalität.
Vorbildlich seien die Niederlande. „Dort bekommen die Besten zwischen 5.000 und 6.000 Euro im Monat vom Staat.“ In Österreich gebe es von der Sporthilfe zwischen 300 und 600 Euro. Etwas besser seien Heeressportler gestellt, doch die Plätze dort seien rar. „Man muss sich nicht unbedingt die Leichtathletik aussuchen“, ist Werthner dennoch gegen jedwedes Selbstmitleid. Er hat als Zehnkämpfer viermal an Olympischen Spielen teilgenommen, weiß um die Faszination der Leichtathletik: Sie entspreche dem Grundbedürfnis des Menschen – schneller laufen, höher und weiter springen, weiter werfen.
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