„Gemobbt wird immer der, der anders ist“

„Gemobbt wird immer der, der anders ist“
Kinder und Jugendliche werden in sozialen Medien beleidigt und ausgegrenzt. Wie kann man reagieren, wo gibt es professionelle Hilfe?

„Alle Kinder aus der Klasse sind bei dieser Geburtstagsfeier eingeladen. Nur ich nicht.“

„Ich werde jede einzelne Pause geärgert, der Mund wird mir mit Tixo verklebt.“

„Mein Ex-Freund verschickt freizügige Fotos von mir an seine Freunde.“

„Es gibt eine eigene Whatsapp-Gruppe, in der sich alle nur damit beschäftigen, mich fertigzumachen.“

Die Themen, mit denen Bernhard Diwald von der Kinder- und Jugendanwaltschaft OÖ (KiJA) konfrontiert ist, sind vielfältig. „Pro Jahr haben wir 1.000 bis 1.500 Einzelfallberatungen, die Mobbing und Cybermobbing betreffen. Die Zahl ist konstant hoch.“ Diwald ist Psychotherapeut und leitet auch die Mobbing-Hotline der KiJA.

Cybermobbing sei meist mit konkreten Ereignissen, etwa an der Schule, verknüpft, erklärt Christine Winkler-Kirchberger, Kinder- und Jugendanwältin des Landes OÖ.

„Gemobbt wird immer der, der anders ist“

Mobbing, das gilt auch für Cybermobbing, beschreibt immer eine Dynamik sozialer Ausgrenzung. Banal formuliert: Einer gehört über einen längeren Zeitraum nicht dazu. Es kommt zu physischer oder psychischer Gewalt. Ziel ist immer die soziale Isolation. Gemobbt wird der, der anders ist. Die Gruppe entscheidet, wer dazu gehört und wer nicht.

„Die permanente Erreichbarkeit der Kinder und Jugendlichen verschärft das Mobbingthema massiv. Corona hat es noch weiter zugespitzt, weil sich die Kommunikation verstärkt in den virtuellen Raum verlegt hat“, sagt Winkler-Kirchberger. Strafmündigkeit beginne mit 14 Jahren, „es muss in der Aufklärung unbedingt verdeutlicht werden, dass Cybermobbing strafbar ist.“

Leid verhindern

Präventionsarbeit an den Schulen und Medienkompetenz seien enorm wichtig. „Es kann so viel Leid verhindert werden, wenn es engagierte Lehrpersonen gibt, die hinschauen und Themen ansprechen. Das ist Beziehungs- und Konfliktarbeit. Auch Eltern müssen handeln und sagen: Ich dulde das nicht!“, meint Psychotherapeut Diwald.

Cybermobbing funktioniere nur, wenn viele mitmachen. Sobald es Widerstand gibt, wirke das bereits. Großen Einfluss haben also die, die still sind und sagen, es geht mich nichts an. „Wenn es eine Kultur gibt, in der Kinder sagen, das gefällt mir nicht, hör auf damit oder Hilfe holen, ist das Mobbing oft sehr schnell vorbei. Es steht und fällt mit der Zivilcourage. Eltern und Lehrpersonen können das den Kindern vorleben: Du bist Teil dieser Gruppe, schau hin und mache Ungerechtigkeiten zum Thema!“

Mit dem Bildschirmzeit-Feature können Eltern den Handykonsum ihrer Kinder einschränken.

Mit dem Bildschirmzeit-Feature können Eltern den Handykonsum ihrer Kinder einschränken.

Wenn sich Kinder und Jugendliche an die Hotline wenden, fordern sie oft konkrete Hilfe ein: Es geht mir schlecht! Was soll ich tun? „Dann überlegen wir, wie es weitergehen könnte. Es dauert oft lange, bis Kinder sagen, worum es eigentlich geht“, sagt Experte Diwald.

Kinder werden auch gemobbt, weil Eltern unvorsichtig sind, weiß Expertin Winkler-Kirchberger: „Sie posten ihre Kinder in Situationen, die für die Kinder peinlich sind, beim Schlafen, beim Daumenlutschen, am Strand. Kinder haben das Recht am eigenen Bild. Also Eltern, bitte nichts ungefragt posten!“

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Wichtige Infos

Anlaufstellen
Kinder- und Jugendanwaltschaft OÖ: Beratungshotline 0732/77 97 77, Mobbing-Hotline 0664/152 18 24, Whatsapp-Beratung 0664/600 72-14004, www.kija-ooe.at
www.saferinternet.at (viele Infos für Eltern)
www.rataufdraht.at (147 als Notrufnummer für Kinder und Jugendliche)

Buchtipp
„Kinder sicher im Internet“ (Verlag edition a) heißt das Buch, das der Kriminalbeamte Alexander Geyrhofer geschrieben hat. Es ist eine informative Sammlung an Hintergrundwissen, gespickt mit vielen Fallbeispielen, praktischen Tipps und Infos, wo es Hilfe und Unterstützung gibt. Geyrhofer selbst arbeitet  seit vielen Jahren im Bereich der Sucht- und Gewaltprävention in Schulen, bei Lehrendenfortbildungen und in der Erwachsenenbildung

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Warnzeichen, wenn sich Verhalten ändert

Tipps für Eltern. Warnzeichen für mögliches (Cyber-)Mobbing sind, wenn sich das Verhalten eines Kindes ändert, wenn es sich zurückzieht und still wird. Dazu können psychosomatische Auffälligkeiten, wie plötzliches Bauchweh, Durchfall bis hin zu Durchschlafschwierigkeiten, Angst und Panikattacken kommen.

Das Wichtigste ist, laut Psychotherapeut Diwald, das Zuhören: „Klingt banal, aber nichts ist ärger für Kinder, die endlich den Mut fassen und ihre Situation schildern und die Eltern sagen darauf: Ist ja nicht so schlimm. Für das Kind ist das so schlimm.“ Entscheidend ist zudem Empathie: Wie fühlt sich mein Kind? „Wenn ich an die Gefühlswelt meines Kindes andocken kann, kann ich handeln.“

Dabei gehe es darum, mit dem Kind und nicht für das Kind zu handeln, sprich mögliche Schritte gemeinsam zu besprechen. Sonst könne sich das Mobbing verschärfen.

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Vorsichtig sein, blockieren, Hilfe holen

Tipps für Betroffene.  Welche Fotos und Videos werden geteilt und wer bekommt darauf Zugriff? Wer sich vorab überlegt, welche Daten er preisgibt, kann sich viele Probleme sparen. Alles, was im Netz verbreitet ist, kann gar nicht mehr oder nur mehr sehr schwer wieder entfernt werden.
Wichtig ist, auf die Privatsphäre-Einstellungen des  Smartphones zu achten. Wer belästigt wird, sollte die Absender blockieren und dem Seitenbetreiber melden. Davor unbedingt Beweise sichern, also Screenshots machen.

Kinder und Jugendliche sollten sich im Falle des Cybermobbings unbedingt an eine Vertrauensperson wenden, das können die Eltern, die Lehrerin, ein Schulsozialarbeiter sein. Es gibt auch zahlreiche Beratungsstellen, die anonym, schnell und kostenlos helfen (Infos dazu siehe S. 12). Und: Selbst auf eine gewaltfreie, wertschätzende Kommunikation im Netz achten.

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