Charme einer untergehenden Kultur

Umgedrehte Holzstühle mit Herzmuster stehen in einem Raum mit blumiger Tapete.
Karo Pernegger geht auf fotografische Zeitreise durch verschwundene „Wiazhäuser“. Von Gerhard Marschall.

Franz Stelzhamer, Mundartdichter aus dem Innviertel und Oberösterreichs berühmtester Hallodri, verbrachte viel Lebenszeit im Wirtshaus. Es suchte die Geselligkeit, zugleich fand er hier eine Bühne. Gegen etwas Geld trug er seine Gedichte vor.

Aber oft waren die Einnahmen kleiner als sein Durst, und so blieb er nicht selten die Zeche schuldig. Deshalb wende das Stelzhamer-Denkmal in Ried im Innkreis dem Gasthaus Brunnhuber den Rücken zu, hieß es einst süffisant im Volksmund.

Heute dominiert die Systemgastronomie

Den Brunnhuber gibt es längst nicht mehr, wie viele andere gastliche Stätten auch. Es grassiert ein flächendeckendes „Wirte-Sterben“. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Oft mangelt es an Betriebsnachfolgern. Personal ist immer schwerer zu bekommen. Auch hat sich das Konsumverhalten stark verändert, was zu einem Strukturwandel führt: vom Wirtshaus hin zu Systemgastronomie, Ethnosektor und Fast Food.

Ein heruntergekommener Raum mit Partydekoration und alten Möbeln.

Der Wirtshaussaal ist leer, die Faschingsdekoration noch da

Landauf, landab schließen Gasthäuser. Karo Pernegger (39) fängt dieses Zeitphänomen fotografisch ein. Unter dem Titel „Wiazhäuser“ fasst sie mit viel Sinn und Liebe für Details ihren Streifzug durch aufgelassene oder vor der Schließung stehende Gaststätten zusammen. Ausgangspunkt war das Gasthaus Zwink in Aspach (Bez. Braunau).

Ein Holzschrank mit mehreren Regalen voller Gläser und Krüge.

Die Schankwand in Gasthaus Zwink in Aspach

„Ich war beeindruckt vom Gebäude, vom Interieur, von der Patina, vom Charme des Raumes, von der Geschichte, die im abgetretenen Fußboden oder in abgeschlagenen Tischkanten eingeschrieben ist.“

Starke Emotionalität

Die gebürtige Riederin lebt und arbeitet als freischaffende Fotografin in Wien. Nebenher studiert sie an der Hochschule für Bildende Künste und macht freie Kunstprojekte – Reportagen und Dokumentationen. Über diese Schiene sei sie auf das Gasthausthema gestoßen. „Aus dem Bauch heraus“, wie sie sagt.

Eine Sammlung von Bierkrügen steht auf einem Holztisch vor einer gemusterten Wand.

Nicht mehr benutzte Bierkrüge

Mit dem Fotografieren hat Pernegger in der Jugend mit einer analogen Kamera begonnen. Konkret erinnert sie sich an ein Fotoprojekt am BORG, bei dem sie ihr Kunstlehrer Alfred Katzlberger unterstützt habe. „Da habe ich festgestellt, dass mir das taugt und liegt.“ Also studierte sie an der Graphischen in Wien Fotografie und Audiovisuelle Medien. Sie gehe gerne in Wirtshäuser, im Innviertel wie in Wien, sagt Pernegger: „Leider werden es immer weniger, was ich sehr schade finde.“

Soziale Orte

Hier verschwinde etwas, das es über Jahrhunderte gegeben habe. Das seien auch soziale Orte gewesen, in denen Informationsaustausch stattgefunden habe und Entscheidungen getroffen worden seien. In Gesprächen mit den Menschen orte sie große Emotionalität. „Viele trifft die Schließung des Gasthauses persönlich.“ Denn hier entstehe eine Lücke im gesellschaftlichen und kulturellen Leben, gehe nicht zuletzt ein Stück dörflicher Identität verloren.

Im Kulturlokal KiK in Ried präsentiert Pernegger Stationen ihrer „Wiazhäuser“-Tour. Vernissage war vergangenen Mittwoch.

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