Auf den Spuren der alten Waldeisenbahn

Idylle pur
Reise durch den Nationalpark Kalkalpen mit Josef Leitner. Mit dem E–Bike lässt sich auf den Trassen der ehemaligen Waldeisenbahn das Reichraminger Hintergebirge wunderbar und leicht durchstreifen.

Die Ennstalgemeinde Reichraming bietet viele Möglichkeiten. Entweder erkundet man das gleichnamige Hintergebirge zu Fuß und wandert auf dem Wildnistrail „Buchen steig“ den Reichramingerbach entlang. Dieser alte Weg der Holzknechte und Almbauern führt durch naturnahe Buchenwälder mit charakteristischer Tier- und Pflanzenwelt. Wir wählen als Alternative das E-Bike und bewegen uns auf dem Hintergebirgsradweg, dem touristischen Juwel des Ennstals. Er führt mit geringer Steigung in den Nationalpark Kalkalpen.

Über 41 Brücken

„Beginnend mit der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg transportierte die hier verlaufende Waldeisenbahn ein halbes Jahrhundert lang Holz aus dem waldreichen Reichraminger Hintergebirge. Die aufwändig trassierte Strecke führte durch 19 Tunnels und über 41 Brücken. Als sie im Jahr 1971 stillgelegt wurde, war sie eine der größten und am längsten in Betrieb stehenden Waldbahnen in Österreich“, erzählt Volkhard Maier, seit Jahresbeginn neuer Direktor der Natonalparks..

Zur Freude der heutigen Radler wurden auf den Bahntrassen Forststraßen angelegt, auf denen wir genussreich den Nationalpark erkunden können. Fritz Wingert vom e-mobility E-Bike-Verleih in Reichraming übergibt uns robuste Elektroräder und macht uns mit den Funktionen von Eco bis Turbo vertraut. So können wir locker die Höchstgeschwindigkeit der ehemaligen Waldbahn von damals 15 Km/h auf jetzt 25 km/h erhöhen. Wir starten den 46 Kilometer langen Rundweg R9. Forstmeister Hans Kammleitner: „Der Nationalpark wird durch die vier großen „W“ definiert: Wald, Wasser, Wild, Wildnis.“ Er weist auf die sechs verschiedenen Buchenwaldtypen hin, die als UNESCO Weltnaturerbe anerkannt wurden.

Auf den Spuren  der alten Waldeisenbahn

Radler auf der Trasse der ehemaligen Waldeisenbahn

Reichraminer Bach

Wasser ist ein erfrischender Dauerbegleiter. Das muntere Plätschern des Reichraminger Baches übertönt das knirschende Geräusch der Fahrradstollen auf der Schotterstraße. Kammleitner: „Unglaubliche 800 Quellen entspringen im Gebiet des Nationalparks, 200 Kilometer natürliche Bachläufe mit Trinkwasserqualität zeichnen dieses Biotop aus.“ Über das Wild, das dritte Charakteristikum des Nationalparks, hat Förster Bernhard Sulzbacher beeindruckende Zahlen: „50 Säugetierarten bis zum seltenen Luchs und 80 Brutvogelarten sind hier beheimatet. Von den 1500 Schmetterlingsarten sind nur 100 Tagfalter, alle anderen Nachtfalter. Wären wir hier nachts unterwegs, könnten wir mit etwas Glück auch die seltene Mopsfledermaus sehen.“

Wildnis ist das vierte Element des Parks. Es soll möglichst keine menschlichen Eingriffe geben. 1000 Blütenpflanzen, Moose und Farne können sich prächtig entfalten. Nach einer Fahrstunde erreichen wir die Große Klause, eine besonders interessante Station auf dem Rundweg. „Seit dem 15. Jahrhundert wurde in dieser Klause, was nichts anderes als ein Stauwerk heißt, Holz getriftet“. so Kammleitner, „das geschlägerte Holz wurde entrindet und mit Pferden und Schlitten und speziellen Holzrutschen, Riesen genannt, in den aufgestauten Klaussee transportiert. Der Klausmeister entleerte die Klause, sodass das Holz mit dem Wasserschwall als künstliches Hochwasser 15 Kilometer bis Reichraming getriftet wurde. Dort wurde das Holz entweder zu Kohle verarbeitet oder zu Flössen gebunden und auf der Enns weiter transportiert. Auf diese Wiese kam das Holz aus den Reichraminger Wäldern zu den eisenverarbeitenden Betrieben im Steyr- und Ennstal. 600 Holzarbeiter waren in Spitzenzeiten in Reichraming tätig. Die letzte Holztrift fand 1937 statt, bis der Holztransport schließlich gänzlich von der Waldeisenbahn abgelöst wurde.“

Der Blick fällt auf die noch immer vorhandenen Reste der früheren Klausanlage. Arbeiter der Bundesforste erneuern gerade die Besucherplattform, von der aus man unmittelbar den Grund der tiefen Schlucht betrachten kann.

Proteste

All’ das wäre nicht möglich geworden, hätte nicht in den frühen 1980er Jahren eine engagierte Protestbewegung den Bau eines Kraftwerks an dieser Stelle verhindert. Als Jugendlicher habe ich zu diesem Zweck einige Tage und Nächte in diesem Wald verbracht. Ein Speicherkraftwerk mit einer Staumauer von 100 Metern Höhe hätte das letzte intakte zusammenhängende Bachökosystem Oberösterreichs zerstört. Wer heute an dieser Stelle steht, kann sich über diese Entwicklung nur freuen.

Wir kehren bei der Großen Klaushütte ein. Sie ist eine renovierte Holzknechthütte und bietet bäuerliche Produkte aus der Region (geöffnet von Mittwoch bis Sonntag). Entlang des Baches geht es weiter. Mehrere Tunnels werden durchquert, der längste misst 300 Meter. Ganz schön kühl wird es im Inneren. Erfreulicherweise erhellen solarbetriebene Leuchten das Dunkel. Es ist ein prickelndes Gefühl, durch diese historischen Bergstollen zu radeln. Dazwischen begleiten steile Felswände und Schluchten den Radfahrer. Fast schüchtern lässt der Schleierfall sein Wasser ins Tal rieseln.Der Eingang zum Wanderweg „Annerlsteg“ ist erreicht. Eine Metallskulptur am Wegrand erinnert an einen im Jahr 2011 an dieser Stelle ausgesetzten Luchs.

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