Abnehmen mit der Wunderpille

Heidenbeeren sind "Superfood"
Ärztin und Ernährungsspezialistin Silke Kranz skizziert Wege zum richtigen Abnehmen.

Kennen Sie die TV-Show „The Biggest Loser“? Das ist eine amerikanische Serie, die auch nach Deutschland importiert wurde. Krankhaft übergewichtige Menschen gehen in ein Camp, wo sie unter Anleitung ihre Ernährung radikal umstellen und an einem Trainingsprogramm teilnehmen. Diejenigen, die am wenigsten Gewicht verlieren, scheiden aus, dem Sieger winkt eine stolze Prämie.

An sich finde ich es gut, wenn adipöse Menschen ihren Lebensstil ändern möchten. Ein extra Anreiz verstärkt bestimmt die Motivation. Wie so oft gibt es ein Aber, und das liegt wieder einmal an dem Wörtchen „radikal“. Die Teilnehmer nehmen sehr rasch unglaublich viel ab - bis zu 60 Kilogramm. Da das Format in den USA schon lange existiert, gibt es bereits Langzeit-Untersuchungen dazu. Nach sechs Jahren hatten die erfolgreichsten „Loser“ ihr Ursprungsgewicht großteils wieder erreicht.

Aufgedeckt

Vor einigen Tagen habe ich in einem Social-Media-Netzwerk eine Schlagzeile entdeckt: The Biggest Loser deckt auf! Sie würden lange nicht so viel trainieren, wie es dargestellt würde und die tatsächliche Gewichtsabnahme würde aufgrund einer Wunderpille funktionieren. Die Zeitschrift, die das angebliche Interview führte, nahm sich dieses Zaubermittels an und führte einen Selbstversuch durch. Und - siehe da – auch die Chefredakteurin nahm innerhalb eines Monats sagenhafte 20 Kilogramm ab und präsentierte einen stolzen Six Pack. Weiter ging es mit Promis von Heidi Klum bis Daniela Katzenberger, die auch ausschließlich aufgrund der neu entdeckten Wunderwaffe so fabelhaft aussähen. Wobei das Wort fabelhaft ja meiner Meinung nach sehr subjektiv verwendet werden kann. Am Ende dieses Artikels konnte man überraschenderweise diese Weltneuheit zu einem wiederum fabelhaften Preis bestellen, und nur an diesem Tag so fabelhaft günstig. Und das, obwohl das Präparat aufgrund seiner Wirkung quasi täglich aufs Neue ausverkauft sei.

Als meine erste Wut verraucht war, recherchierte ich weiter und fand jede Menge anderer Fake-Artikel dazu; zusätzlich einige Warnungen davor auf seriösen Gesundheitsseiten. Die Kapsel besteht großteils aus grünem Tee und Acai-Beeren. Grüner Tee wirkt bekanntermaßen anregend und stoffwechselaktivierend. Natürlich eine gute Idee für die Fettverbrennung, aber leider auch kein Wundermittel. Die Acai-Beere wurde in den vergangenen Jahren allerdings sehr wohl als Zauberfrucht verkauft und gehört zum Trend des „Superfood“. Sie kommt vor allem in Brasilien vor und wird auch als Kohlpalme bezeichnet. Essbar sind nicht nur die Früchte, sondern auch die Palmherzen, welche im Amazonas-Gebiet sogar ein Hauptnahrungsmittel darstellen. Tatsächlich enthalten die Beeren einen hohen Anteil an Antioxidantien, Vitaminen und Mineralstoffen und haben sich damit ihren Platz auf der Superfood-Liste verdient. Allerdings können zum Beispiel die heimischen Heidelbeeren ohne Probleme mit ihnen mithalten. Außerdem enthält Acai-Pulver nicht nur Gesundheit pur, sondern auch fabelhafte 534 Kilokalorien und 33 Gramm Fett auf einhundert Gramm. Eine negative Energiebilanz erreichen Sie dadurch also kaum. Ich selbst liebe grünen Tee und kann ohne meine morgendliche Dosis minimal unleidlich werden. Ich gebe auch zu, dass ich für Superfood – gerade das aktivierende und jungmachende – durchaus anfällig bin. Aber diese Werbeschiene sollte meiner Meinung nach nur kurz aufgedeckt und danach sofort in die unterste Schublade gesteckt werden.

Grüner Tee

Sie haben sicherlich mehr davon, wenn Sie nach ihrer morgendlichen Tasse grünem Tee auf eine Alm wandern und die Heidelbeeren direkt vom Strauch naschen. Das ist sowohl aktivierend wie auch ein Jungbrunnen und kostet zusätzlich kein Vermögen. In diesem Sinne: Berg Frei!

Silke Kranz ist diplomierte Ernährungs- und Sportmedizinerin und Ärztin für Allgemeinmedizin in Bad Zell

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