Zuhälterei-Prozess: Im Dorf wussten alle Bescheid

Mit einer Verurteilung und einem Freispruch hat am Donnerstagnachmittag in St. Pölten ein Zuhälterei-Prozess geendet. Ein 47-Jähriger erhielt sechs Jahre Haft. Seine Mutter (72) wurde freigesprochen. Der Mann hatte sich zu Prozessbeginn "vollinhaltlich" schuldig bekannt, die 72-Jährige "nicht schuldig". Beide Urteile sind nicht rechtskräftig.
Dem Erstangeklagten war zudem schwere Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel und Freiheitsentziehung zur Last gelegt worden. Er soll im Keller eines Gebäudes hinter seinem Elternhaus im Bezirk Tulln einen Raum eingerichtet haben, in dem sich ein Bett und eine Dusche befanden und dort zwei ausländische Frauen zur Prostitution gezwungen haben. Zeugenaussagen vom Donnerstag zufolge hätte jeder im Dorf gewusst, dass der Angeklagte ein Bordell betreibe.
Weil Staatsanwältin Nicole Elsinger keine Erklärung abgab, ist das von dem 47-Jährigen angenommene Urteil ebenso nicht rechtskräftig wie jenes für die Mutter. Richterin Andrea Humer begründete den Freispruch für die 72-Jährige damit, dass die bloße Kenntnis der Ausübung der Prostitution nicht strafbar sei.
Naiv
In den Plädoyers war es in erster Linie um die Mutter gegangen. Verteidiger Nikolaus Rast meinte, dass eine Mitwirkung der 72-Jährigen nicht nachweisbar sei. Man könne der Frau lediglich vorwerfen, dass sie naiv gewesen sei. Das sei freilich kein strafrechtlicher Tatbestand. Die Staatsanwältin sah hingegen eine Mitwirkung der 72-Jährigen gegeben. Sie hatte ihr bereits im Eröffnungsvortrag vorgeworfen, diverse Reinigungsarbeiten in dem Keller durchgeführt zu haben, in dem ihr Sohn die beiden Frauen zur Prostitution gezwungen hatte. Zudem soll die Mutter während der Abwesenheit des 47-Jährigen Aufpasserdienste geleistet und sogar zum Teil Buch über die Anzahl der Freier geführt haben.
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