Ein furchtloser KURIER-Redakteur begab sich in die gezähmte Wildnis. Hier sein Tatsachenbericht mit ein wenig Augenzwinkern und ganz viel Wissenswertem.
Zum ersten Mal überlebt hat der Teilnehmer des Survival-Seminars bei der Anreise: auf dem Rad vom Bahnhof in Mistelbach zum Schlosspark in Asparn an der Zaya. Es sind zwar nur sieben Kilometer. Doch der Fahrtwind der eng überholenden Pkws fühlt sich an wie Angriffe von Bären.
Dem Kursleiter Alexander Ernst, der sich nach einem längeren Aufenthalt in den USA auch Ma’iingan nennt, gelingt es mit seiner ruhigen Art, den Adrenalinspiegel des Neuankömmlings flott auf Zuhör-Niveau zu drosseln.
Die „heiligen Vier“
Er möchte, erklärt Ma’iingan im Hof des Schlosses, der heute Teil des Urgeschichtemuseums ist (siehe unten), zeigen, wie man in und mit der Natur lebt und überlebt.
Der Mann weiß, wovon er spricht. Er hat sich, nachdem er seinen Job bei einer Bank gekündigt hatte, im zweiten Bildungsweg zum Natur- und Wildnistrainer ausbilden lassen. Erst in den Tiroler Bergen, dann in der Wildnis von Wisconsin.
Gibt weiter, was er in den Bergen Tirols und in der Wildnis Wisconsins gelernt hat: Alexander Ernst
Dort hat Alexander Ernst elf Monate im Rahmen einer intensiven Outdoor-Schulung gelernt, lernen müssen, ohne Handy und ohne Feuerzeug am Leben zu bleiben.
Hüter einer gefährdeten Schafrasse
Seine Survival-Seminare sind heute nur ein berufliches Standbein. Daneben arbeitet Ernst im nahen Naturpark Leiser Berge als Ranger. Zu Hause hütet er noch eine alte, gefährdete Rasse von Schafen: böhmische Waldschafe.
Man muss nicht mit dem Flugzeug im Amazonasgebiet abstürzen oder bei einer Expedition am Polarkreis sein. Manchmal verirren sich auch Menschen in unseren Breitengraden. Gar nicht wenigen würden die Tipps von Alexander Ernst helfen.
Die "heiligen Vier"
Zunächst gelte es, sich die „heiligen Vier“ einzuprägen. In dieser Reihenfolge: Sich in einer Behausung warm und trocken zu halten, muss das erste große Ziel sein. Mit einem Feuer Bedrohungen fern von seinem Lager zu halten und Essen zu wärmen, hat zweithöchste Priorität. Drittens ist Trinken wichtiger als viertens Essen: „Ohne Wasser könnt ihr vier, fünf Tage überleben, ohne Essen immerhin vier bis fünf Wochen.“
Es wird wahrscheinlich für verirrte Wanderer nicht ganz so wichtig sein, aber es schadet auch nicht, wenn sie vom Feuermachen zumindest einmal gehört haben.
Vor allem so viel: Wer ein Feuerzeug oder Zündhölzer dabei hat, hat gute Chancen, etwas entfachen zu können. Wer mit zwei linken Händen ausgestattet ist, wie der Anti-Outdoor-Autor dieser Zeilen, muss direkt hoffen, dass er mit Ma’iingan oder dessen Kursteilnehmern in Not gerät.
Edwin, Lukas & Veganer
Glücklich im Unglück dürfte sich schätzen, wer mit Edwin, 53, und Lukas, 29, ein Feuer machen muss. Der Vater, ein Lehrer, hat dem geliebten Sohn, einem Büroangestellten, das Seminar zum Geburtstag geschenkt. Die beiden lösen mit großem Interesse und handwerklichem Geschick alle ihnen gestellten Aufgaben.
Dass Papa Edwin auch noch Jäger ist, erhöht die Chancen punkto Proteine, eventuell nicht für Veganer.
Er sei kein unglücklicher Bankangestellter in einer Wiener Filiale gewesen, sagt Alexander Ernst. Doch vor 13 Jahren wurde ihm klar, dass Geld nicht alles ist und er noch „etwas Anderes“ in seinem Leben angehen wollte.
Kein Talent zum Überleben?
Wohltuend ist, dass es ihm in seinem Seminar nicht um Selbstdarstellung geht. Er erzählt wohl von Nächten bei minus dreißig Grad und ungebetenen Gästen im Notbett aus Laub, aber er macht daraus kein Theater. Wichtig ist ihm der respektvolle Umgang mit der Natur: „Zerstöre ich sie, kann sie mir beim Überleben nicht mehr helfen.“
Und wenn jemand so gar kein Talent zum Überleben in der freien Wildbahn hat? Dann ist das jetzt natürlich in einem gepflegten niederösterreichischen Schlosspark nur graue Theorie, aber immerhin: Wer nicht gleich panisch wird, und wer nur in unserer gemäßigten Klimazone mal vom Weg abkommt, der hätte keine ganz schlechten Karten.
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